Klimadiskurs.NRW

Der 5-Punkte Plan des Umweltministeriums gegen Plastikmüll


am 06.12.18 von Stefan Schweiger gepostet

Bundesumweltministerin Svenja Schulze stellt den 5-Punkte-Plan für weniger Plastik vor. Foto: Sascha Hilgers, BMU

Jede Reise beginnt mit den ersten fünf Schritten
Keinen Werkstoff, der so spezialisiert einsetzbar und gleichzeitig so kostengünstig zu produzieren ist, hat die Menschheit je genutzt: Plastik. Kunststoffe gelten als das Material des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und hielten, spätestens ab den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, Einzug in alle Bereiche des Lebens. Sie machten Luxusgegenstände in Küche und Wohnzimmer erschwinglich, erweiterten durch Zeitersparnis die Freizeitmöglichkeiten und vermochten diese Zeit durch Erwerb und Gebrauch von Konsumgütern aus Plastik zu füllen: Der Mixer beim Kuchenbacken, Funktionskleidung beim Camping, Hula-Hoop auf dem Schulhof oder die unzerbrechliche PET-Flasche sind Bestandteil unserer Konsumkultur.

Die Geister, die wir riefen, nun werden wir sie nicht mehr los. Wortwörtlich. Denn: Kunststoffe zerfallen in immer kleinere Teilchen von Makroplastik in Mikroplastik und dann in Nanoplastik. Sie transformieren sich nicht, werden nicht umgewandelt, zumindest nicht in von Menschen überschaubaren Zeiträumen. Letztendlich kehren sie in ihren Ursprung zurück und werden nach Millionen von Jahren wieder zu Erdöl, dem fossilen Energieträger, der die Weltwirtschaft antreibt.

Als Thor Heyerdahl in den siebziger Jahren auf seinen abenteuerlichen Fahrten im Dienste der experimentellen Archäologie auf einsamen Meeren von der Zivilisation mit Plastikmüll gegrüßt wurde, galten Kunststoffe im Meer noch nicht als Problem. Mehr noch: Die wertlos gewordenen Plastikgegenstände halfen, Meeresströmungen zu berechnen. Erst als die Müllberge immer mehr anwuchsen, wurde man sich des Problems bewusst und begann möglicherweise gefährliche Stoffe in der Nahrungskette, an dessen Ende der Mensch steht, zu fürchten. Erst war es nur die Umweltbewegung, die das Gesinnungstextil Jutebeutel als Ausweis einer Sorge um die Umwelt trug, heute ist man sich quer über alle Ideologien und politischen Parteien einig, dass Plastikemissionen in die Umwelt einzuschränken seien. So hat das Bundesumweltministerium einen 5-Punkte-Plan für weniger Plastik und mehr Recycling beschlossen. Die Maßnahmen ruhen auf fünf Säulen: Aufklärung und Bewusstseinsbildung der Konsumenten, Selbstverpflichtungen von Industrie und Handel, Verbot der Produkte, die an Stränden am häufigsten entdeckt werden, finanziellen Anreizen zu ressourcenschonendem Handeln und internationaler Kooperation. Diese Diversifikation von Strategien zur Eindämmung der Plastikemissionen adressiert Konsumenten, Handel und Hersteller von Produkten aus und mit Kunststoffen. Bündnisse dort, wo man auf die Expertise der Unternehmen angewiesen ist, Verbote dort, wo Bündnisse nicht eingehalten werden oder ressourcen- und umweltschonende Praxis zum Ausscheiden aus dem Wettbewerb führen könnte und leicht verständliche und barrierearme Informationsmöglichkeiten für die KonsumentInnen. So lässt sich der 5-Punkte-Plan des Umweltministeriums zusammenfassen. Erstens den Dialog, nicht die Konfrontation zu wählen und zweitens die inter- und transdisziplinäre Forschung zum Problem des Plastikmülls zu fördern sind Schritte, die sich langfristig auszahlen könnten. Der politische Kampf gegen Plastikmüll sollte auf festen Beinen wissenchaftlicher Erkenntnis stehen. Das Bundesumweltministerium als auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung beschreiten diesen Weg.

Jedoch sind in diesem Papier bereits Tendenzen zu erkennen, die einen Cry-Wolf-Effekt heraufbeschwören könnten, da Alternativen zu Kunststoffen nicht zwingend nachhaltiger sind. Wer Plastikmüll verringern möchte, sollte andere ökologische Ziele nicht aus dem Blick verlieren und sich nicht nur auf sichtbare Sauberkeit verlassen. Daher ist weitergehende Forschung unabdinglich.

An zwei Beispielen, die sich auch in dem 5-Punkte-Plan finden lassen, lässt sich dies verdeutlichen. Als Beispiel für good-practice wird die Plastiktütenvereinbarung herangezogen. Dabei geht es nicht nur darum, die Abfalleimer nun mit Müllbeuteln anstelle der bunten Plastiktüten auszukleiden. Papiertüten mit 30% Recycling-Fasern benötigen laut Studien des Wuppertal Instituts in der Herstellung mehr als das 17fache an Wasser und verursachen die doppelte Menge an Treibhausgasen. Entscheidend ist die Nutzungsdauer. Sicherlich hat die Reißfestigkeit der Papiertüten sich sehr stark verbessert, aber die Nutzungsdauer und -möglichkeiten von Plastiktüten erreichen sie bei weitem noch nicht. Und dabei haben wir hier über den verwendeten Kleber, der die Trageschlaufen an der Tüte hält, noch gar nicht gesprochen. Auch der so genannte Hipsterbag (aka Jutebeutel) sollte nicht aus modischen Gründen ausgetauscht werden. Man muss sich schon ein Design aussuchen mit dem man über Jahre hinweg im Discounter oder dem Unverpackt-Laden eine gute Figur macht, sonst greift man – möchte man eine gute Ökobilanz erreichen – besser doch zur Plastiktüte, mit welcher man im Winter einen flachen Berg herunterrutschen oder seinen Fahrradsattel vor dem Aufweichen im Regen schützen kann. Wer es nicht erträgt nach „last season“ auszusehen, dem wird die Umsetzung von Nachhaltigkeit schwer fallen.

Ein weiterer Punkt, der dem menschlichen Auge weitgehend verborgen bleibt, ist das Problem der Reinigung. In den Vergnügungsmeilen unserer Städte, in den Innenstädten, die zum Shoppen einladen, auf Rastplätzen, rund um unsere Bahnhöfe, einfach überall, wo Menschen zusammenkommen, entdeckt man nach dem Ende der Spektakel, die der „Erlebnisgesellschaft“ (Gerhard Schulze) dargeboten werden, mitunter Unmengen von Plastikmüll. Wohltuend mag Ordnungsliebhabern das Geräusch von Reinigungsfahrzeugen mit ihren Bürsten dann in den Ohren klingen, doch sie bringen nicht nur den Plastikmüll lediglich an einen anderen Ort, sondern emittieren mit ihrem Reifenabrieb und ihren Bürsten, erhebliche Mengen an Mikroplastik. Die augenscheinliche Sauberkeit trügt: Nach der Reinigung hat man mehr Plastikmüll als vorher. Und wenn wir gerade über Reifenabrieb sprechen, von einer Verkehrswende findet man in dem 5-Punkte-Plan des Bundesumweltministeriums noch kein Wort. Aber es sind auch erst die ersten 5 Punkte, die ersten 5 Schritte auf einem langen Weg, an dessen Ende die Entlastung von Mensch und Umwelt von Plastikmüll stehen soll. Das Bundesumweltministerium wagt diese ersten Schritte und zusammen mit WissenschaftlerInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen werden immer mehr Fragen geklärt, Paradoxien erkannt, die intersektionale Kooperation gestärkt und durch adäquate Wissenschaftsvermittlung Sachverstand in die öffentliche Debatte gebracht werden. Es sind die ersten Schritte, die manchen KritikerInnen stolpernd erscheinen mögen, aber es sind Schritte in die richtige Richtung.

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