Christian Mildenberger macht deutlich, warum kleine und mittlere Unternehmen gleichermaßen Rückgrat und Treiber der Energiewende sind.
Von Christian Mildenberger
Fast 60 Prozent der Bevölkerung sind sich sicher, dass die langfristigen Auswirkungen der Klima-Krise gravierender sind als die der Corona-Krise. 78 Prozent empfinden es gerade jetzt als wichtig, den Ausbau Erneuerbarer Energien verstärkt voranzutreiben. Diese brandneuen Ergebnisse einer forsa-Umfrage für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt zeigen, dass den Bürgerinnen und Bürgern klar ist, dass die Klima-Krise nicht einfach weg ist, weil Corona derzeit alles dominiert. Im Gegenteil: Die Klimaschutzdebatte nimmt nach einer kurzen Pause wieder Fahrt auf. Denn große Teile der Wirtschaft und Wissenschaft haben längst erkannt, dass klimafreundliche Technologien, Produkte und Dienstleistungen ein erfolgversprechender Weg aus der Krise sind. KMU stecken hier mittendrin: als Lösungsanbieter und Nutzer.
KMU in der Erneuerbare-Energien-Branche in NRW
Wird über die Energiewende gesprochen, denken viele gleich an große Windräder, Photovoltaikanlagen auf Dächern oder an Bauernhöfe, die aus Biogas Strom und Wärme für das nächste Dorf produzieren. Dahinter stehen weit überwiegend kleine und mittlere Unternehmen. Nicht verwunderlich, sind doch 99,5 Prozent aller Unternehmen in Nordrhein-Westfalen KMU. So, wie auch die Pioniere der Energiewende KMU waren und auch heute noch den größten Teil der Branche darstellen: Sie planen, bauen, betreiben oder warten Erneuerbare-Energien-Anlagen. Sie entwickeln neue Geschäftsmodelle zur Flexibilisierung der Stromnetze, erproben KI-Systeme zur Vogelerkennung oder schaffen moderne Quartierslösungen in Ballungsräumen. Kurzum: Die Energiewende wäre ohne das vielfältige Engagement und den immensen Ideenreichtum von KMU noch längst nicht so weit.
Allein in NRW sind mehr als 5.000 Betriebe in der Erneuerbare-Energien-Branche aktiv. Hier arbeiten über 45.000 Menschen Tag für Tag an der Energiewende und erwirtschaften dabei mehr als 10 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Die KMU-Landschaft präsentiert sich dabei so vielfältig wie auch die Energiewende selbst. So arbeitet etwa im Kreis Coesfeld derzeit das KMU SL-Naturenergie zusammen mit den örtlichen Stadtwerken an einem neuen Windpark: 9 Windenergieanlagen werden dort künftig jedes Jahr 125 Millionen Kilowattstunden klimafreundlichen Windstrom produzieren und damit 53.000 Tonnen CO2 einsparen. Mit dem gleichen Ziel – Klimaschutz mit der Energiewende – aber auf ganz andere Art und Weise, bringt das Technologieunternehmen Next Kraftwerke in Köln Ehrenfeld die Energiewende voran: Mit einem der größten virtuellen Kraftwerke Europas vernetzt das Unternehmen über 8700 Erneuerbare-Energien-Anlagen und trägt so maßgeblich zur Stabilisierung des Stromnetzes bei. Solche vernetzten Anlagen werden etwa von PlantET im Münsterland gefertigt: Die 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Mittelständlers entwickeln Biogasanlagen und vertreiben diese weltweit.
Erneuerbare in Wirtschaft und Gewerbe
Erfreulicherweise haben auch weite Teile aus Wirtschaft und Gewerbe die Vorteile der Energiewende für sich erkannt. Manche sind schon lange dabei, andere steigen gerade erst ein oder fragen sich, was sie tun können. Ihr gemeinsames Interesse: Sie wollen etwas gegen den Klimawandel tun und ihren Beitrag für den Klimaschutz leisten. Dabei gibt es weitaus mehr Möglichkeiten für KMU, als direkt ein Windrad zu errichten. Dennoch stehen bei den Überlegungen, was getan werden kann, die Erneuerbaren häufig vorne an: Am einfachsten sind sicherlich die Umstellung des Strombezugs auf echten Ökostrom und Maßnahmen zur Energieeffizienz. Einen Schritt weiter gehen solche Unternehmen, die selbst Erneuerbare Energien erzeugen und intelligent verbrauchen.
Regenerative Energie als Standortfaktor
Wird über die Energiewende von Unternehmen gesprochen, fallen schnell große Namen: Apple, Google oder Facebook etwa. Nicht unberechtigt. Denn die großen Digitalkonzerne haben sich zum Ziel gesetzt, ihren Strombedarf vollständig mit Erneuerbaren Energien zu decken. Einer der Gründe für Teslas neue Fabrik in Brandenburg war schließlich die starke Windenergie-Produktion vor Ort. Erneuerbare sind damit längst ein starker, wenn nicht sogar entscheidender Standortfaktor geworden. Umso wichtiger für das Industrieland Nordrhein-Westfalen, die Erneuerbaren weiter auszubauen.
Vorreiter KMU
KMU sind hier häufig schon einige Schritte weiter und zeigen, wie kreatives Unternehmertum, Weitsicht und Engagement schnellen Fortschritt ermöglichen. Das Spektrum dabei ist groß: Serveranlagen in Windrädern, Solarstrom für den Elektrofuhrpark, Gebäudewärme durch Geothermie und vieles mehr. Es ist vor allem der Wunsch, den Klimaschutz stärker voranzubringen, der auch immer mehr KMU außerhalb der eigentlichen Erneuerbare-Energien-Branche antreibt. Mittlerweile setzen deshalb die unterschiedlichsten Gewerbe auf die Vorteile der regenerativen Energien.
Beispielsweise „Ihr Bäcker Schüren“ aus Hilden. Das Familienunternehmen beheizt mit Hilfe Erneuerbarer Energien schon seit einigen Jahren seine Backstuben. Und mit der Solarenergie vom Dach werden die Brötchen anschließend klimafreundlich im E-Lieferwagen ausgeliefert. In der Event-Location „Villa Media“ in Wuppertal hat man sogar ein eigenes Micro-Grid entwickelt, über das das gesamte Gelände vollkommen autark mit Energie versorgt wird. So lassen sich auch Tagungen oder Hochzeiten klimafreundlich gestalten. Das Autohaus Rüschkamp aus Lüdinghausen nutzt seine großen Dachflächen und versorgt mit dem Strom nicht nur sich selbst, sondern betreibt damit zusätzlich auch E-Ladesäulen für die Kunden.
Erneuerbare Energien als Vorteile für KMU
Und nicht nur der Klimaschutz, sondern auch die Unternehmen selbst profitieren auf diese Weise von der Energiewende. Schon an den wenigen kurzen Beispielen wird deutlich: Es ist vor allem die Kombination aus Erzeugung, Verbrauch und Speicherung, die die Erneuerbaren Energien für kleine und mittelständische Unternehmen so attraktiv machen.
Noch sind die Beispiele vor allem eines: Vorbilder. Denn sie beweisen, dass Klimaschutz auch im Mittelstand keine Last, sondern ein innovatives Instrument auf dem Weg zum wirtschaftlichen Erfolg ist. Damit sind Energiewende und Klimaschutz auch für KMU nicht mehr wegzudenken. Doch sie müssen schnellstmöglich zur Normalität werden, denn die Klimaschutz-Potenziale durch Erneuerbare Energien in KMU sind enorm. Je schneller sich die Unternehmer von alten Vorurteilen lösen und sich an den erfolgreichen Beispielen orientieren, desto besser ist das auch für unser Klima.
Viele gute Initiativen dazu gibt es bereits. Die Förderung für E-Mobilität im Gewerbe etwa ist für viele Unternehmer ein willkommener Anreiz, die Flotte klimafreundlich umzustellen. Doch es liegen auch noch viele bürokratische Hürden auf dem Weg hin zum klimafreundlichen Unternehmen, die manche Unternehmer abschrecken. Hier herrscht Nachholbedarf. Die Entfesselung der klimafreundlichen Investitionen setzt politische Rahmenbedingungen voraus, mit denen sich kalkulieren lässt. Für mehr Klimaschutz durch Erneuerbare Energien in KMU müssen die Zugänge deshalb unbürokratisch, niedrigschwelliger und für eine langfristige Planung ausgelegt werden.