Klimadiskurs.NRW

5 Fragen an: Dr. Klaus Grosfeld


Dr. Klaus Grosfeld ist Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und seit 2009 Geschäftsführer des interdisziplinären Helmholtz-Verbundes Regionale Klimaänderungen (REKLIM). Die Forschungsschwerpunkte des studierten Geophysikers sind die auf erdgeschichtlichen Daten aufbauende Klimamodellierung, die Eis-Ozean-Wechselwirkungen und der regionale Klimawandel. Die Aufbereitung von Wissen und der Wissenstransfer in die Gesellschaft nehmen für Dr. Klaus Grosfeld dabei einen besonderen Stellenwert ein.


1. Sehr geehrter Herr Dr. Grosfeld, in Zeiten von Corona stehen auf einmal WissenschaftlerInnen im Brennpunkt der Öffentlichkeit. Die Expertise von VirologInnen war und ist Leitschnur für politisches Handeln. Die jahrelangen Warnungen der KlimaforscherInnen vor dem voranschreitenden Klimawandel sind in der politischen Arena hingegen eher ungehört verhallt – ärgert Sie das?

Ich denke nicht, dass die wissenschaftlichen Ergebnisse der Klimaforschung auf der politischen Bühne ungehört geblieben sind. Denken wir nur an das Paris-Abkommen 2015, das den Durchbruch in der internationalen Klimapolitik bedeutete und darüber hinaus die Grundlage zum Europäischen Klimapakt und Green Deal bildet, mit dem eine CO2-Neutralität der EU bis 2050 erreicht werden soll. Natürlich, es ist noch ein langer Weg dahin, aber die ersten wichtigen Schritte sind getan. Wichtiger Unterschied zur Corona-Krise ist die unterschiedliche Zeitskala: das eine wirkte unmittelbar – die Folgen des Klimawandels hingegen wirken viel langsamer. Jedoch spüren wir auch in Deutschland bereits die Veränderungen. Denken wir an das Dürrejahr 2018, die Zunahme von Extremereignissen wie Starkniederschläge oder auch die Niedrigstände unserer großen Flüsse. Und in vielen anderen Ländern der Welt sind die Ausmaße noch viel drastischer und lebensbedrohlicher.

2. Durch Fridays4Future ist in die Klimaschutzdebatte seit dem vergangenen Jahr spürbar mehr Bewegung hereingekommen – zugleich scheint aber auch die Schärfe der Auseinandersetzung und die Polarisierung zuzunehmen. Erfahren Sie in Ihrer Arbeit als Klimawissenschaftler mittlerweile eine größere gesellschaftspolitische Offenheit oder sehen Sie sich sogar wachsenden Anfeindungen ausgesetzt?

Wir sehen in vielen Bereichen, dass das grundlegende Wissen zum Klimawandel und dessen Ursachen in den letzten Jahren überwiegend nicht mehr in Frage gestellt wird und ein wichtiger Baustein in der aktuellen Debatte ist. Vielmehr geht es heute um die Frage, was bedeutet das für uns hier ganz konkret vor Ort und was kann ich als Einzelner oder wir als Gesellschaft tun, um den größten Schaden abzuwenden. Natürlich erleben wir auch viele Debatten, dass „die anderen“ doch erstmal handeln sollen oder „was kann ich als Einzelner denn da überhaupt tun“? Die Bewegung Fridays4Future hat entscheidend dazu beigetragen, dass das Thema ins kollektive Bewusstsein gerückt ist, indem die jungen Menschen den Erhalt ihrer Zukunft einfordern. Das ist und sollte unser aller Ziel sein, denn nur durch eine nachhaltige Lebensweise ist die Menschheit dauerhaft überlebensfähig auf diesem Planeten.

3. Auch wenn die klimapolitischen Stellschrauben wie Green Deal und Bundesklimaschutzgesetz anderswo gestellt werden, sind es die Kommunen, die für die Umsetzung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen vor Ort zuständig sind. Trotz des beschlossenen kommunalen Rettungsschirms fallen vielen ohnehin nicht besonders finanzstarken Kommunen durch die Corona-Krise zentrale Einnahmen aus der Gewerbesteuer weg, zugleich zeichnen sich höhere Sozialausgaben ab. Befürchten Sie einen kommunalen Klimastillstand?  

Nein, das befürchte ich nicht! Natürlich ist die Belastung des Staates, der Länder und insbesondere auch der Kommunen durch die Corona-Krise enorm gewachsen, aber es zeigt sich hier, dass Deutschland in der Lage ist, derartige Krisen anzugehen.

„In unserem VHS-Kurs #klimafit haben wir Strukturen geschaffen, die regional verankert sind und direkt mit den Kommunen zusammenarbeiten – das sind unsere #klimafit-Hubs.“


In unserem VHS-Kurs #klimafit haben wir Strukturen geschaffen, die regional verankert sind und damit direkt mit den Kommunen zusammenarbeiten – das sind unsere sogenannten #klimafit-Hubs. Die Kursleitenden unseres #klimafit-Kurses werden an vielen Standorten durch die Kommunen finanziert und unser Feedback bisher zeigt: Sie sind auch weiterhin bereit, dies zu tun. Denn trotz der Corona-Krise muss der kommunale Klimaschutz vorankommen und vor Ort umgesetzt werden.

4. Als Geschäftsführer des Helmholtz-Verbundes Regionale Klimaänderungen (REKLIM) sind Sie eine der treibenden Kräfte und Initiatoren des Projekts „#klimafit“ – einem innovativen Fort- und Weiterbildungsangebot für Erwachsende an VHS zum globalen und regionalen Klimawandel. Ziel des Projekts ist die Ausbildung von MultiplikatorInnen für den kommunalen Klimaschutz und die Entwicklung von Volkshochschulen zu Orten der Klimabildung. Ist „lokal und dezentral“ die Erfolgsformel für die klimaverträgliche Transformation?

Das Projekt „#klimafit“ ist eine gemeinsame Idee von REKLIM und dem WWF Deutschland und wurde zusammen mit den VHS entwickelt. Hier sind zwei exzellente Partner zusammengekommen, die das Signal der Zeit erkannt haben, dass eine Transformation der Gesellschaft mit all ihren Anforderungen nur dann gelingen kann, wenn Wissen um Ursachen, Folgen und Handeln zur Vermeidung, also zum Klimaschutz, bei denjenigen zusammenkommt, die am Ende die Akteure sind, nämlich die BürgerInnen sowie Verantwortungsträger in den Kommunen. Denn nur durch eine breite Akzeptanz für Maßnahmen kann Transformation von unten mitgestaltet werden. Daher zielt dieser VHS-Kurs auf die Ausbildung von MultiplikatorInnen ab, die in den Kommunen den kommunalen Klimaschutz unterstützen. Hier wird die Brücke vom Wissen zum Handeln mit ganz konkreten Maßnahmen unterstützt, Netzwerke gebildet und Handlungsoption für jedermann an ganz konkreten Beispielen und Initiativen aufgezeigt.

5. Im kommenden Jahr werden die klimafit-Kurse erstmals auch in NRW angeboten. Der KlimaDiskurs.NRW übernimmt dabei den Aufbau und die Koordination des neuen NRW-Hubs. Im KlimaDiskurs.NRW kommen bereits seit 2012 unterschiedlichste Akteure aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Politik im vertraulichen Rahmen zusammen, um gemeinsam Wege für mehr Klimaschutz und den Erhalt des Industrie- und Wirtschaftsstandort auszuloten. Ergänzt sich dieser Ansatz mit Ihrem Verständnis von Wissenschaft?

Ja ganz klar! Als Forscher schaffen wir es in diesem innovativen Kurs mit unseren Partnern in einer wirklich einzigartigen Weise, unsere Erkenntnisse und unser Wissen mit den Teilnehmenden zu teilen und, das ist mir besonders wichtig, dialogisch mit ihnen an der notwendigen Transformation unserer Gesellschaft zu arbeiten. Zu den wichtigen Akteuren bei dieser gesellschaftlichen Anstrengung gehören die Industrie und Wirtschaft unbedingt mit dazu! Von daher freut es uns sehr, dass wir mit dem NRW-Hub hier eine direkte Vernetzung mit diesen Akteuren haben werden und sind sehr gespannt, was sich hieraus noch weiter entwickeln wird.

Herzlichen Dank für das Gespräch!