Klimadiskurs.NRW

Wie eine Studie zum CO2-Ausstoß der Paketlogistik – Corona-bedingt – zu einer Studie für nachhaltigen und kontaktlosen Paketempfang wurde


Jesper Okkels hat mit der Sesam GmbH eine Studie in Auftrag gegeben, um Zustellwege und Logistikoptionen auf ihren CO2-Fußabdruck zu untersuchen. 

Von Jesper Okkels

Gerade als wir, die Sesam GmbH aus Marl, kurz davor standen eine Studie über die Nachhaltigkeit von Zustellkonzepten im Onlinehandel zu veröffentlichen, kam Corona.
Corona hat zwar nicht wirklich etwas an dem Inhalt der Studie geändert, aber die Zukunftsszenarien, die darin behandelt werden, sind rapide näher gerückt.

Kontaktlose Zustellung von Paketen zu Corona

Der Onlinehandel ist während des Corona-Lockdowns explodiert. Für Risikogruppen und Personen in Quarantäne, die plötzlich von Heimlieferung abhängig waren, wurde die kontaktlose Paketzustellung zu Hause ein Muss.

Etablierte alternative Empfangslösungen schneiden dabei nicht so gut ab. Paketshops sind nicht gerade kontaktlos – man steht nun mal Schlange. Packstationen, wie die von DHL und Amazon, sind es da schon eher, werden aber von vielen Menschen gemeinsam genutzt.

Für den kontaktlosen Paketempfang ist eine Paketbox am Wohn– oder Arbeitsort eine der sichersten Paketempfangsformen, um Ansteckung durch Paketboten und Pakete komplett zu vermeiden.

Click & Collect / Abholboxen für Kunden vor dem Laden

Einzelhändler, überall auf der Welt, haben während Corona Abholboxen vor den Läden für sich entdeckt. Während des Lockdowns konnten viele Händler Waren nicht ausliefern. Mit Abholboxen geht das – kontaktlos!

Was Corona bewirkt und nicht bewirkt hat

Wir haben lange befürchtet, dass die Coronakrise das Thema der Nachhaltigkeit verdrängen könnte. Zum Glück sind unsere Politiker nicht auf Kompromisse eingegangen. Viele Coronamaßnahmen hängen mit Nachhaltigkeit zusammen.

Die Digitalisierung schreitet jetzt richtig voran, auch im lokalen Einzelhandel, wo jeder auf eigene Onlineshops zu bauen scheint. Die geänderten Lebens- und Arbeitsgewohnheiten haben zu einem neuen Verständnis der Work-Life-Balance geführt, und dabei die Innenstädte teilweise „veröden“ lassen. Einige Städte haben reagiert und Teile der Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt. Jetzt ist Platz für neue Innenstadtkonzepte.

Die Studie über Nachhaltigkeit von Zustellkonzepten

Mit der BIEK Nachhaltigkeit Studie von 2017 als Basis, hatten wir uns entschieden, die Nachhaltigkeit von Zustellkonzepten zu berechnen. Was als eine kleine interne Analyse angefangen hat, ist zu einer großen Studie mit Zuarbeit renommierter Experten und des KlimaDiskurs.NRW-Mitglieds Effizienz-Agentur NRW geworden.

Wir konnten zwei Zustellkonzepte mit einem „Game Changer“-Potential herausstellen.

  1. Packstationen an öffentlichen Orten
  2. Paketboxen am Wohnort und am Arbeitsplatz

Wir haben eine Reihe von datenbasierten Annahmen aufgestellt und die zukünftige Verdoppelung bzw. Vervierfachung des Paketvolumens, unter Einbezug der rasanten Entwicklung des Onlinehandels, berechnet.

Die Paketlogistik in Zahlen

Ein Haushalt mit durchschnittlich drei Personen bekam statistisch gesehen 87 Pakete pro Jahr in 2018. In 2025 werden es 174 und in 2032 348 Pakete pro Jahr sein. So viele Briefe bekommt kaum jemand, aber jeder hat einen Briefkasten!

Wir haben den CO2-Footprint der heutigen Zustellformen von Paketen in 10 verschiedenen Szenarien für die Jahren 2018, 2025 und 2032 berechnet. Herr Prof. Dr.-Ing Ralf Bogdanski, Professor für Logistik TH Nürnberg, hat die Studie bewertet.

Die Resultate haben verblüfft!

Die Berechnungen des CO2-Ausstoßes von Lieferfahrzeugen und die ausgelösten Zweitfahrten der Paketempfänger zu Packstationen und Paketshops, um ihre Pakete abzuholen oder zu returnieren, haben wir konservativ unter Berücksichtigung der immer niedriger werdenden CO2-Emissionen von allen Fahrzeugtypen gemacht.

Dabei haben wir auch den Paketmarkt über die nächsten 15 Jahren miteinbezogen und ein ganz anderes Problem identifiziert: Wenn Packstationen und Paketshops als Zukunftslösung für die Paketflut im großen Stil eingeführt werden, dann erstarrt der Verkehr in den Innenstädten durch Privatfahrten zu den Packstationen und Paketshops.
Den CO2-Ausstoß der Logistiker bekommt man in den Griff, aber die Privat-PKW-Fahrten steigen von ca. 800.000 pro Tag in 2018 auf 10.000.000 pro Tag in 2032.

Es wurde sehr klar, dass nur wenn eine Infrastruktur von Paketboxen am Wohnort oder am Arbeitsplatz etabliert werden kann, das zukünftige Verkehrschaos in den Städten vermieden wird.
Eine solche Infrastruktur wird sich aber nicht automatisch etablieren und Bedarf der Zusammenarbeit von Playern aus Logistik und Politik – Land, Bund und Kommunen.

Die komplette Studie können Sie hier einsehen.