Klimadiskurs.NRW

Corona als weiterer Impuls, Digitalisierung auch nachhaltig und umweltgerecht zu denken


Karine Rübner, Referentin Digital Responsibility & New Work, beim Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. plädiert dafür, dass auch die digitale Wirtschaft außerhalb der gewohnten Bahnen in soziale und ökologische Leitplanken einzubetten ist.

Von Karine Rübner

Wir sitzen in der U-Bahn, unsere Kinder sind in der Schule und wir wagen uns in die gemeinsame Büroküche. Alles wieder ganz normal? Sicherlich nicht, denn wir blicken als Gesellschaft auf die größte internationale Krise zurück, die wir seit Kriegszeiten erlebt haben und fragen uns aktuell, ob eine zweite Corona-Welle, uns, unsere Kontakte, Reisen, Wirtschaft nochmals so drastisch stoppen wird wie zu Beginn des Jahres.

Neben unseren Ängsten und Unsicherheiten beobachten wir allerdings auch, dass plötzlich neue Elemente in unseren Alltag integriert wurden. Die stärkere Nutzung der kontaktlosen Bezahlung, wie beispielsweise bei E-Mobility-Angeboten, ÖPNV, aber auch in Läden generell, genauso wie die verstärkte Nutzung von Video-Call-Tools im Beruf sowie privat sind fast zur Normalität geworden. Was hat diesen Zuspruch für digitale Angebote beschleunigt und was muss weiter in diese Richtung passieren?

Die Corona-Pandemie macht sichtbar, dass sich Gesundheitssicherheit auf jeden Teil des Lebens auswirkt. Ein möglicher „Ausweichmechanismus“, den Wirtschaft, Gesellschaft und Politik in diesem Ausnahmezustand nutzen konnten, um Kommunikation, Entwicklung und eine gewisse Normalität aufrechtzuerhalten, lag in digitalen Lösungen. Es gibt viele Potenziale, die erkennbar sind – manchmal auch im Weitblick – und nun eine breite Aufmerksamkeit gewonnen haben. Jetzt muss der Weg der erstrebenswerten Aspekte des digitalen Wandels fortgesetzt werden.

Wir konnten zudem beobachten, dass Digitalisierung überall dort ad hoc und stark beschleunigt voranging, wo bereits bestehende technische Voraussetzungen auf Menschen trafen, die mutig und experimentierfreudig digitale Potenziale entfalten wollen. Die gute Nachricht: Diese gibt es! Dort, wo in den letzten Monaten Lücken sichtbar wurden, können diese nun geschlossen werden, um die digitale Transformation voranzutreiben. Es scheint, als sei Corona ein Kontrastmittel, das den Digitalisierungsgrad nebst hemmenden Grundhaltungen wie Veränderungsträgheit direkt und unausweichlich zeigt. Langatmig konzipierte Digitalisierungsstrategien wurden als digital entwicklungsbedürftig enttarnt, während schnelle und innovationsfreudige Hands-on-Pragmatiker und digitalisierte Unternehmen sowie veränderungsfähige Teile der gesamten Gesellschaft gestaltend und dezentral die Führung übernommen hatten.

Die Ad-hoc-Digitalisierung greift viel tiefer in gesellschaftliche Strukturen und Kulturweisen ein als bisher angenommen und dies ist eine Chance, Strukturen neu zu denken und von Anfang an Digitalisierung sowie Nachhaltigkeit in den neuen Prozessen mitzudenken.

Wie kann man nun Digitalisierung mit Nachhaltigkeitszielen am erfolgreichsten verbinden?

Eine nachhaltige Entwicklung erfordert, dass wir unseren Verbrauch an fossiler Energie und begrenzten Ressourcen drastisch senken. Unsere Produktions- und Konsummuster müssen sich weltweit massiv ändern. Während der digitale Wandel oftmals im Rahmen unserer gegenwärtigen, überwiegend nicht-nachhaltigen Wirtschaftsweise verharrt, leisten digitale Innovationen bereits  einen wertvollen Beitrag auf dem Weg zu einer nachhaltig bewirtschafteten Welt.[1] Schon jetzt gibt es viele Beispiele. Sei es im Bereich Connected Mobility, Smart-Home-Systeme, Energie-Clouds oder auch bei der Nutzung erneuerbarer Energien in Unternehmen. Nun geht es darum, das Erfolgsmodell der sozialen Markwirtschaft ganzheitlich für eine digitale Welt neu zu denken – ganz im Sinne der Tradition marktwirtschaftlicher Ordnungspolitik, die sich nicht in bloßen Verboten erschöpft oder den Raum für Innovationen beschneidet, sondern vor allem ökonomische Verzerrungen korrigiert und die richtigen Anreize und Impulse für technologische Entwicklung setzt.[2]

Dafür tragen alle Akteure unserer Gesellschaft Verantwortung. Und auch Unternehmen setzen sich über Corporate Digital Responsibility (CDR) zunehmend mit ihrer eigenen digitalen Unternehmensverantwortung auseinander: Dabei geht es um ein Managementkonzept, bei dem Unternehmen soziale und ökologische Belange in ihre Geschäftstätigkeit und in die Interaktionen mit ihren Stakeholdern im Rahmen des digitalen Wandels integrieren – hin zu einer ethischen und nachhaltigen digitalen Entwicklung.

Unternehmerische Initiative und politische Rahmensetzung sind Voraussetzungen, die digitale Wirtschaft in ökologische und soziale Leitplanken einzubetten.[3] Um erfolgreich Nachhaltigkeit durch Digitalisierung zu erschaffen, ist ein Zusammenspiel von Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft ausschlaggebend – und daran arbeiten wir.


[1] vgl. ausführlich: WBGU: Unsere gemeinsame digitale Zukunft. Berlin 2019; vgl. auch BMU: Umwelt in die Algorithmen! Eckpunkte für eine umweltpolitische Digitalagenda des BMU. Berlin 2019

[2] vgl. grundlegend: Eucken, Walter: Grundsätze der Wirtschaftspolitik. Tübingen 1952

[3] WBGU: Zivilisatorischer Fortschritt innerhalb planetarischer Leitplanken. Ein Beitrag zur SDG-Debatte. Politikpapier Nr. 8 (2014)