Klimadiskurs.NRW

Das Rheinische Revier als Zukunftsregion?


am 29.11.21 von Dirk Jansen gepostet

Mit dem beschleunigten Ausstieg aus der Braunkohlengewinnung und -nutzung bis spätestens zum Jahr 2030 besteht die Chance zum ökologischen Umbau des dann ehemaligen „Rheinischen Reviers“ zu einer klimagerechten und nachhaltigen Modellregion. Doch dafür müssen die Weichen neu gestellt werden.

Seit langem setzen sich der BUND, andere Umweltverbände, Tagebaubetroffene und die gesamte Klimabewegung für einen schnellen Ausstieg aus der Braunkohle ein. Denn dieser ist nicht nur zum Schutz des Klimas zwingend erforderlich, sondern bietet auch vielfältige Chancen zur Revitalisierung der Region – auch im Hinblick auf einen sozial-ökologischen Strukturwandel. Mit dem jetzt im Koalitionsvertrag vereinbarten beschleunigten Ausstieg aus der Braunkohle wird der Weg dafür endlich frei.

Die Grundlage für den ökologischen Umbau des Rheinischen Braunkohlenreviers war bereits mit den Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ gelegt worden. Für die Kommission entscheidend war, dass nicht nur die Regionen eine Perspektive haben, sondern dass auch der Standort Deutschland insgesamt gestärkt wird, indem Klimaschutz, gute Arbeit und Wirtschaft in Einklang gebracht werden und damit ein Beitrag zur Umsetzung des Leitbilds der Nachhaltigkeit geleistet wird. Geförderte Projekte sollten Zukunftsthemen berühren und im Einklang mit der Entwicklung zu einer langfristig weitgehend treibhausgasneutralen Wirtschaft und Gesellschaft stehen. Bei der Transformation sollten die Menschen umfassend eingebunden werden.

Mit dem Kohleverstromungsbeendigungsgesetz und dem Investitionsgesetz Kohleregionen wurden weitere Rahmenbedingungen definiert. Letztendlich, so die Festlegung, sollen 37 Prozent der insgesamt 40 Milliarden Euro Fördergelder in das Rheinland fließen. Mit ihrer Leitentscheidung „Neue Perspektiven für das Rheinische Braunkohlerevier“ hat die NRW-Landesregierung schließlich den Anspruch formuliert, den Strukturwandel im „Rheinischen Revier“ gemeinsam mit der Region, der Zukunftsagentur Rheinisches Revier und den betroffenen Kommunen zu gestalten und den Weg zu einer innovativen, klimagerechten und nachhaltigen Region zu eröffnen.

Ökologischer Umbau noch nicht in Sicht

Der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) wird seitens der Landesregierung beim anstehenden Strukturwandel eine zentrale Rolle zugedacht. Doch kann sie diese Rolle ausfüllen? Bislang leider nicht.

Allein schon die Zusammensetzung der Gesellschafterversammlung spricht Bände. Die Zivilgesellschaft oder aber anerkannte Naturschutzvereine kommen darin nicht vor. Auch der Prozess zur Aufstellung des von der Landesregierung letztendlich genehmigten Wirtschafts- und Strukturprogramms (WSP) 1.1 ließ eine umfassende Beteiligung der Bürger*innen vermissen, viele Fragen blieben offen. Unterm Strich – so der Eindruck – sollen die alten Strukturen gefestigt und Beteiligungsrechte ausgehöhlt werden. Immer lauter wird auch der Ruf nach einer Sonderwirtschaftszone unter Inkaufnahme geringerer Umweltstandards.

Völlig intransparent bleibt auch das Bewertungsverfahren für eingereichte Projekte. Inwieweit zum Beispiel Gewerbegebiete für flächenintensive Großvorhaben mit Nachhaltigkeitskriterien in Einklang zu bringen sind und wo darin der Klimanutzen liegen soll, erschließt sich nicht. Diese umso weniger, als die Kommunen parallel zum ZRR-Prozess weiter daran festhalten, gigantische Flächen Freiraums für Gewerbe- und Industrie regionalplanerisch festzulegen, anstatt die frei werdenden Bergbau- oder Kraftwerksflächen zu nutzen.

Konkrete Projekte, das Revier auch zu einer Modellregion für die Erforschung, Entwicklung und Anwendung von innovativen Technologien für erneuerbare Energien, intelligente Netze und Energiespeicher zu machen, sind bislang Mangelware.

Letztendlich fehlt ein transparentes Bewertungsraster als Grundlage der Projektförderung. Anstatt die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen, müssten sich alle Projekte an definierten Nachhaltigkeitszielen messen lassen. Nur solche Vorhaben, die nachweislich einen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Klimaanpassung leisten, dürfen mit Steuergeldern bedacht werden.

Dazu muss eine stärkere Verknüpfung mit der Regionalplanung erfolgen. Die ZRR hat sich offenbar zu einer parallelen Planungsinstanz ohne hinreichende demokratische Legitimation entwickelt. Ein gesamträumliches Konzept für eine klimaresiliente Modellregion ist jedenfalls nicht ansatzweise erkennbar.

Grün-blaue Infrastruktur und Klimaresilienz

Dies zeigt sich auch bei der ökologischen Revitalisierung der vom Bergbau seit Jahrzehnten geschundenen Region. Strukturwandel wird bislang überwiegend aus der rein ökonomischen Perspektive betrachtet. Zum nachhaltigen Strukturwandel gehört aber auch der Schutz und die Restitution intakter, artenreicher Lebensräume und eine vielfältige Flora und Fauna. Der BUND hat deshalb für die Tagebauregion schon früh die Etablierung eines regionalen Biotopverbundsystems zur Vernetzung und Entwicklung der wenigen Waldflächen sowie die Sicherung der noch unzerschnittenen Bördelandschaften mit ihren landesweit wichtigen Vorkommen von Feldvogelarten vorgeschlagen.

Das Rückgrat für diese lebendige Vielfalt muss eine grün-blaue Infrastruktur, ein zusammenhängendes Freiraumsystem aus Landschafts- und Naturschutzgebieten, aus ungenutzten und nachhaltig genutzten Landschaftsbestandteilen bilden. Ein Netzwerk aus unterschiedlichsten Lebensräumen, aus Wäldern, Offenlandhabitaten und Gewässern, die miteinander, aber auch mit angrenzenden Naturräumen und Großlandschaften verbunden sind. Es wäre das rheinische Pendant zum Grünen Band im Osten, vernetzt mit dem Grünen Wall im Westen. Wir nennen es das „GRÜNE NETZ“.

Die Chancen dafür müssen jetzt genutzt werden. Das setzt voraus, dass auch dafür entsprechende Fördergelder bereitgestellt werden. Denn Klimaresilienz bedeutet letztendlich auch die Bewahrung einer biologischen Vielfalt, die allen Menschen alle Ökosystemdienstleistungen dauerhaft gewährt.

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