Klimadiskurs.NRW

So gelingt die kommunale Mobilitätswende


Die Menschen in Deutschland sind längst bereit für den Systemwechsel hin zu einer klimafreundlichen Mobilität. Aber noch fehlt es an Personal und politischem Mut in der Verwaltung.

von Dr. Tim Albrecht

“Wir brauchen einen Wandel weg von der autogerechten hin zur menschengerechten Stadt, in der die einzelnen Verkehrsträger ihre Stärken optimal ausspielen.” Dieser Satz stammt nicht aus dem Parteiprogramm der Grünen. Zu lesen ist er auf der Webseite des ADAC. Das lässt nur einen Schluss zu: Die autogerechte Stadt ist tot. Mausetot.

Eigentlich nicht verwunderlich. Denn Autos sind für Städte, was Elefanten für Porzellanläden sind. Sie machen alles kaputt, was vielen Bürgerinnen und Bürgern lieb und teuer ist: Sie sind gesundheitsschädlich und laut, gefährden Kinder, Radfahrer*innen und Fußgänger*innen, sorgen für Betonwüsten, die tagsüber überfüllt und abends verlassen sind und tragen mit jeder Fahrt zum Klimawandel bei. Während alle anderen Sektoren ihre CO2-Emissionen in den letzten Jahrzehnten zum Teil deutlich gesenkt haben, steht der Verkehrsbereich buchstäblich im Stau: Eine Dekarbonisierung ist nicht in Sicht.

Dabei ist die Trendwende in den Köpfen längst vollzogen: Laut einer Umfrage des Umweltbundesamts glauben über 90 Prozent der Befragten, dass es zu einem guten Leben beiträgt, wenn Städte und Regionen so entwickelt werden, dass man nicht aufs Auto angewiesen ist.  Kommunalpolitiker*innen rate ich daher: Die menschengerechte Stadt ist ein Gewinnerthema! Menschengerecht heißt im 21. Jahrhundert: Kinder können sicher zu Fuß oder mit dem Rad die Schule erreichen; ihre Eltern können entspannt und bequem mit dem Rad oder elektrifizierten öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeitsplatz kommen; und ihre Oma kann noch selbst einkaufen gehen, weil die Wartezeit an der Fußgängerampel kurz ist, genügend Bänke Pausen ermöglichen und viel Grün die Stadt auch im Sommer kühl und schattig hält.  Übrigens: Auch der Einzelhandel profitiert von der menschengerechten Stadt. 

Mentalitätswandel allein ist zu wenig

Dennoch: Die Autobesitzquote bleibt konstant hoch und die Zahl der zugelassenen SUV nimmt zu. Der moralische Zeigefinger allein hilft nicht. Die Kommunen müssen mit überzeugenden Mobilitätsangebote in Vorleistung gehen, indem sie durchgängige Netze für den Rad- und Fußverkehr bauen, ÖPNV-Nutzer*innen multimodale Lösungen für die letzte Meile bieten und ihre Bürger*innen mit guter Kommunikation für klimafreundliche Mobilität begeistern. Möglich wird das nur durch Leadership; also durch Bürgermeister*innen und Ortsvorsteher*innen, die die Mobilitätswende wirklich wollen und mutig vertreten.

Die effektivste Stellschraube – da sind sich fast alle Expert*innen einig – ist das Parkraummanagement: Die kommunale Verkehrswende kommt da voran, wo Autoparkplätze für nachhaltige Mobilität umgewidmet werden. Nur dann gibt es angesichts des knappen öffentlichen Raums in den Städten Platz für Rad- und Fußverkehr, Lieferdienste mit E-Lastenrädern, E-Scooter und Carsharing. Und nur dann steigen Menschen tatsächlich um.

Neues Personal und Umdenken in den Kommunen

Zugegeben: Die Situation für die Kommunen ist unübersichtlich. Sie befinden sich in einer wahrhaft postmodernen Situation: Was aus Sicht der Moderne als rückständig erschien– das Laufen und das Fahrradfahren – ist ein mindestens genau so wichtiger Teil der Mobilität der Zukunft wie das, was vor kurzem noch nach Science Fiction klang: autonom fahrende Rufbusse, durch KI gesteuerte Verkehrsleitsysteme und nutzerfreundliche Apps, mit einem Klick einen maßgeschneiderten multimodalen Weg durch die Stadt errechnen – und das passende Ticket gleich dazu kaufen. 

Es braucht einen guten Mix aus kurzfristigem und langfristigem Handeln : Einerseits mutige und unbürokratisch umgesetzten Maßnahmen wie Pop-Up Radwege, die das gute Leben für die Bürger*innen sichtbar und erfahrbar machen, andererseits langfristige Mobilitäts- und Klimaschutzpläne, die Mobilität als nachhaltiges Gesamtsystem verstehen und nicht als Flickenteppich einzelner baulicher Maßnahmen. Rückenwind könnte ein Bundesmobilitätsgesetz geben, wie es der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert: “Woran es mangelt, ist eine integrierte Planung, die Mobilität, Verkehrssicherheit, Umwelt- und Gesundheitsschutz, Barrierefreiheit und Stadtverträglichkeit gleichermaßen in den Blick nimmt. Das soll das Bundesmobilitätsgesetz ändern”, so die VCD-Vorsitzende Kerstin Haarmann.

Die Mobilitätswende umsetzen müssen aber die Kommunen. Vielerorts fehlt dafür qualifiziertes Fachpersonal. Besserung ist jedoch in Sicht: Universitäten und Fachhochschulen bieten immer mehr Lehrangebote und Studiengänge zur nachhaltigen Mobilität an; und für die junge Studierendengeneration ist Klimaschutz Thema Nummer eins. Wenn man sie lässt, können sie in der kommunalen Verwaltung viel bewegen.

Dr. Tim Albrecht, 42, ist Redakteur beim fairkehr Magazin, der Mitgliederzeitschrift des VCD, und Co-Autor eines Dossiers zur Kommunalen Verkehrswende für die Böll-Stiftung. Bei der fairkehr Agentur berät er Kommunen, Ministerien und Unternehmen zu nachhaltiger Kommunikation.