Klimadiskurs.NRW

Klimaschutz der Vielen


Klimaschutz funktioniert nur, wenn er zum gesamtgesellschaftlichen Projekt wird. Das heißt nicht, dass wir die eine gemeinsame Erzählung zum Klimaschutz brauchen – wir brauchen viele!

von Charlotte Ruhbaum

Den jüngst erschienenen dritten Teil des IPCC-Sachstandberichtes liest man mit Schmerz und mit Hoffnung: Er zeigt erneut, dass die Klimaschutzambitionen der Staaten bei weitem nicht ausreichen und das Zeitfenster zum Gegensteuern sich schließt. Er zeigt jedoch auch: Wir wissen, was zu tun wäre und wir haben das Handwerkszeug. Viele der Technologien, die wir zwingend für den Wandel benötigen, sind heute billiger und besser verfügbar als je zuvor.

Und nun? Warum noch warten mit der radikalen Transformation unserer Art zu Leben und zu Wirtschaften? Just do it! Dass diese Transformation mehr ist als ein technisches und ökonomisches Projekt, welches man einfach nur umsetzen muss, beschreiben die Autoren des IPCC-Berichtes erstmalig sehr umfangreich: Wir können diesen Weg nur gehen, wenn die Menschen das Projekt mittragen; als BürgerInnen, als KonsumentInnen, als Treiber gesellschaftlicher Werte und Normen und sozialer Innovationen. Oder, wie es der Hamburg Climate Futures Outlooks im letzten Jahr formulierte: Es ist nicht plausibel, dass die Welt eine vollständige Dekarbonisierung bis 2050 erreicht, ohne dass gesellschaftliche Treiber eine deutlich stärkere Dynamik entfalten.

Eine breite Zivilgesellschaft für den Klimaschutz

Auch wenn das Thema in einer Phase multipler Krisen um Aufmerksamkeit ringen muss, ist das Bewusstsein für die Dringlichkeit von Klimaschutz bei vielen Menschen in Deutschland fest verankert. Die Klimakrise wird auch hier immer sichtbarer. Zugleich birgt Klimaschutz Potenzial für Konflikte und Polarisierung – insbesondere, wenn es um die konkreten Lösungsoptionen und ihre Verteilungswirkungen geht. Politische Mehrheiten für ambitionierten Klimaschutz entstehen daher nicht allein aus vorhandenem Problembewusstsein. KritikerInnen erwarten, dass man ihre Sorgen und Ängste ernst nimmt. Und Menschen, die bereit sind, diese Transformation mitzutragen, brauchen eine möglichst konkrete positive Vision von einer besseren Zukunft.

Hierfür ist eine aktive Zivilgesellschaft unabdingbar. Sie kann Räume und Kanäle bieten, in denen die BürgerInnen ihre Interessen und Lösungskonzepte artikulieren. Sie kann Orte für konstruktive gesellschaftliche Auseinandersetzung schaffen und unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen Angebote dafür machen, gemeinsame Ideen zu entwickeln und Teil der Lösung zu sein. Nur auf dieser Basis wird es Politik gelingen, sozial gerechte und wirksame Klimapolitik zu gestalten.

Aus der (Klima-)Kommunikationsforschung wissen wir, dass Botschaften dann auf fruchtbaren Boden fallen, wenn der Absender eine Nähe zur Zielgruppe mitbringt. Klimaschutzbewegungen wie Fridays for Future und Umweltverbände können mit Recht von sich behaupten, einen wichtigen Beitrag dazu geleistet zu haben, dass der Klimaschutz auf der politischen Agenda und in der gesellschaftlichen Wahrnehmung dort steht, wo er heute steht. Doch nicht alle Menschen können sich mit der Klimabewegung identifizieren und einige Bevölkerungssegmente stehen dieser auch deutlich kritisch gegenüber. Um Klimaschutz zu einem gesamtgesellschaftlichen Projekt zu machen, müssen wir die Zivilgesellschaft in ihrer ganzen Breite ermutigen, ihre eigenen Zugänge zu identifizieren und ihre eigenen Erzählungen vom Klimaschutz zu entwickeln.

Mut machen für die eigene Klimaschutz-Erzählung

Wir beobachten eine stetig wachsende Zahl von Initiativen, in denen Menschen in ihrem sozialen Umfeld auch jenseits des eigenen Konsumverhaltens etwas verändern wollen: Am Arbeitsplatz, in der Uni, im Sportverein, in der Kirchengemeinde oder der Nachbarschaft. Zugleich sehen wir immer mehr Akteure aus diversen Engagementfeldern, die einen wichtigen Beitrag zur Klimaschutzdebatte leisten, indem sie ihre Kernthemen hiermit verbinden: In der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) artikulieren Akteure aus dem Gesundheitsbereich gemeinsam, dass Klimaschutz aktiver Gesundheitsschutz ist. Der Deutsche Caritasverband benennt die Gestaltung eines sozialgerechten Klimaschutzes als Kernanliegen. Der Deutsche Olympische Sportbund ermutigt seine Mitglieder, in den Sportstätten Vorbild im Klimaschutz zu sein.

Um diese Beispiele sichtbarer zu machen, aus ihren Erfahrungen zu lernen und andere zu befähigen, einen eigenen Zugang zum Thema Klimaschutz zu finden, fördert die Stiftung Mercator das Projekt „Engagiert für Klimaschutz“ des Bundesnetzwerkes Bürgerschaftliches Engagement. In der Arbeit unseres Partners klimafakten.de und im Projekt „Germany Talks Climate“ werden Handreichungen entwickelt, wie man Menschen, die noch nicht Teil der Klimadebatte sind, erreichen und einbinden kann. Und in Projekten wie dem KlimaDiskurs.NRW schaffen wir Räume für einen Dialog, der auch konträre Positionen der Zivilgesellschaft zusammenbringt und Erzählungen zusammenführt. Ein Klimaschutz der Vielen: Nur so schaffen wir das.