Klimadiskurs.NRW

Herausforderung Klimaschutz in der Zementherstellung


Klimaneutralität bei der Herstellung von Zement ist aufgrund der prozessbedingt entstehenden CO2–Mengen mit einer besonderen Herausforderung verbunden. Der Verein deutscher Zementwerke e. V. (VDZ) zeigt Wege zu einer klimaneutralen Produktion und effizienten Nutzung von Zementprodukten auf.

von Dr. Johannes Ruppert

Die deutsche Zementindustrie hat eine wichtige Rolle im breiten Spektrum der Baustoffindustrie und in der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens. Die deutschen Zementhersteller betreiben hierzulande 54 Zementwerke. In den 16 Zementwerken in NRW sind ca. 1.600 Personen beschäftigt, die jedes Jahr ca. 700 Mio. Euro Umsatz erwirtschaften. Hiermit verbunden sind regional ausgeprägte, industrielle Netzwerke. Sie reichen von den Anbietern von Maschinen und Anlagen über Dienstleistungen wie Transport bis hin zur Nutzung der Produkte im  Transportbeton- und der Betonfertigteilbranche, der Mörtelindustrie und dem Baustoffhandel. Entlang dieser Wertschöpfungskette von Zement und Beton sind mehr als 10.000 Personen in NRW tätig.

17 Unternehmen sind Mitglied beim VDZ. Er trägt durch seine gemeinnützige Forschung seit langem zu einer wettbewerbsfähigen und umweltfreundlichen Zementproduktion und einer qualitativ hochwertigen Betonbauweise bei. Angesichts des globalen Klimawandels gilt es, die Treibhausgasemissionen weltweit innerhalb weniger Jahrzehnte drastisch zu reduzieren. Auch die Zementindustrie steht dabei im Fokus und stellt sich dieser Aufgabe. Wie diese Transformation bis 2050 in Deutschland gelingen kann, zeigt die VDZ-Studie „Dekarbonisierung von Zement und Beton – Minderungspfade und Handlungsstrategien“.

Die Studie baut unter anderem auf Arbeiten der European Cement Research Academy auf, an denen der VDZ maßgeblich beteiligt war. In ihnen haben wir zuerst 2009 und erneut 2017 die Ergebnisse unserer praxisnahen Forschung zu Zementherstellung genutzt und die Technologien zum Klimaschutz und zur Energieeffizienz für die Zementindustrie beschrieben (ECRA Technology Paper). Hiernach wurden nicht nur in Deutschland sondern auch international Wege zur Klimaneutralität in der Zementindustrie entwickelt, z. B. 2020 in einer Roadmap zur Klimaneutralität 2050, die von unserem Europäischen Verband CEMBUREAU veröffentlicht wurde (CEMBUREAU Roadmap). In NRW geht es darum, eine neue Lösung für die derzeit entstehenden ca. 5 Mio. t CO2/Jahr zu finden. Dies kann mit Blick auf die Entwicklung von Anlagentechnik und -bau in NRW ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz auch weit über NRW hinaus sein.

Zwei wesentliche Erkenntnisse und Herausforderungen sind dabei allen bisher erstellten Klimaschutzpfaden für die Zementindustrie gemeinsam. Das schließt auch unsere aktuelle Arbeit an Szenarien im Projekt SCI4climate.NRW ein:

Erstens: Die Klimaneutralität erfordert eine Optimierung entlang der gesamten Wertschöpfungskette vom Zement und Beton bis hin zur Anwendung und effiziente Nutzung der Baustoffe in der Praxis. Diese Perspektive wird auch als 5C-Ansatz mit den dahinterliegenden Schlagworten Clinker, Cement, Concrete, Construction und (Re-)Carbonation bezeichnet. Hierzu gehören auch die zunehmende Kreislaufwirtschaft, die Nutzung alternativer Roh- und Brennstoffe und ein zunehmendes Recycling von Bauprodukten nach einer nachhaltigen und möglichst langen Nutzungsphase. Im Jahr 2019 hat die deutsche Zementindustrie zur Herstellung von ca. 34 Mio. Tonnen Zement insgesamt 51 Mio. Tonnen Rohstoffe eingesetzt. Davon entfielen allein 8 Mio. Tonnen auf alternative Rohstoffe, die somit rund 16 Prozent des Gesamtrohstoffbedarfs deckten.

Zweitens: Klimaneutralität wird nach weitreichender Anwendung aller klassischen Effizienz- und CO2-Minderungsstrategien letztlich nur durch zusätzliche innovative Technologien erreicht. Hintergrund ist hierbei die prozessbedingte Entstehung von CO2 aus der Kalzinierung des Rohstoffs Kalkstein. Um dieses CO2 als Emission zu vermeiden, sind auch maßgebliche Minderungsbeiträge durch­ CO2-Abscheidung, -Speicherung und -Nutzung (CCUS) notwendig. Zunächst müssen hierfür allerdings geeignete politische, regulative und wirtschaftliche Rahmenbedingen geschaffen und so neue Wertschöpfungsketten inklusive der nötiger Infrastrukturen für den CO2-Transport aufgebaut werden, in ähnlicher Art wie für Wasserstoff. Die Entwicklung einer­ CO2-Infrastruktur wird eine vorausschauende Planung und Zeit benötigen. Dieser Prozess sollte allerdings möglichst bald mit ersten Demonstrationsvorhaben begleitet werden, damit die Herausforderungen und Lösungen zum Klimaschutz sichtbar und am praktischen Beispiel für die Anwendung erprobt werden.

Bei Nutzung der CCUS-Technik liefern dann auch die anteilige Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre in Bauprodukte aus Zement, die sogenannte Rekarbonatisierung, und die mögliche Speicherung von biogenem Kohlenstoff aus alternativen Brennstoffen Beiträge auf dem Weg zur Klimaneutralität.