Klimadiskurs.NRW

Das Kapital als Hebel für mehr Klimaschutz


Bettina Münch-Epple leitet das Bildungsprogramm des WWF und plädiert für eine bessere Steuerung von Kapitalflüssen, um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen.

Von Bettina Münch-Epple

Die Corona-Pandemie hat uns dramatisch deutlich gemacht, dass die Grenzen unseres Planeten an vielen Punkten erreicht und sogar schon überschritten sind. Um den Einsatz der Hilfsgelder und Konjunkturmittel zur Wiederbelebung der deutschen Wirtschaft wurde in den letzten Monaten, auch im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung, heftig gerungen. Dabei ist mehr als deutlich geworden, dass ein Weiter-so kein Weg in eine sozial-ökologische Zukunft ist. Denn viele der bestehenden Wirtschaftsweisen sind nicht zukunftsfähig, sprengen die Grenzen unseres Planeten und setzen somit unseren eigenen Wohlstand aufs Spiel. Hilfsgelder und Konjunkturmittel müssen in das Morgen investieren, nicht in das Gestern.

Bei der gesamten Debatte lohnt ein Blick auf das Finanzsystem und seine Kapitalflüsse. Denn der Schutz unserer Natur und unseres Klimas ist besonders eine Frage des Geldes. Wohin das Geld fließt, entscheidet darüber, welche Industrien und Geschäfte weiter florieren, welchen aus den Kinderschuhen geholfen wird, welche in den Ruhestand gehen. Das Kapital der Finanzmärkte ist es, das die Veränderung in der Realwirtschaft auslöst. Somit ist das Finanzsystem einer der effektivsten Hebel, um die Realwirtschaft zu befähigen, den nötigen Wandel zu vollziehen. Bislang ist er leider auch einer, der viel zu oft übersehen wird.

Deutschland hinkt hier im europäischen Vergleich hinterher. Andere Länder sind beim Thema Sustainable Finance viel weiter, darunter Frankreich, das schon vor einigen Jahren institutionelle Investoren dazu verpflichtet hat, über ihre Nachhaltigkeits- und Klimastrategien zu berichten. Auch Holland, Schweden, Luxemburg und Großbritannien haben zum Thema ernsthafte Dialoge etabliert – eines der wichtigsten Mittel, Akteure auf die Reise mitzunehmen. Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland und Mitglied des Beirats für Sustainable Finance der Bundesregierung, hat maßgeblich daran mitgewirkt, dass das Thema bei der Bundesregierung stärker auf die Agenda kommt. Der Beirat hat im vergangenen Jahr seine Arbeit aufgenommen. Er will noch in diesem Jahr klare Empfehlungen für die Bundesregierung präsentieren. Die Europäische Union fordert darüber hinaus Deutschland auf, seine Arbeit in diesem Bereich mit großer Fahrt aufzunehmen. „Noch könnte die Bundesregierung ernst damit machen, Deutschland in Sachen nachhaltig wirkendes Finanzsystem als Vorreiter aufzustellen“, sagt Matthias Kopp.

Damit der große Wurf gelingt, müssen sich die heutigen Bewertungsgrundlagen, das Risikomanagement- und die Entscheidungsmechanismen an den wissenschaftlichen Szenarien zum Klimawandel ausrichten und eine stärker werdende Klimakrise mit einbeziehen. Gleiches gilt für die nicht mehr vermeidbaren Folgen der Klimakrise, die etwa durch vermehrte und stärkere Dürreperioden Rohstoffwerte deutlich verschieben können. Diese Entwicklungen in der Realität gilt es, in die Regulierung und die Rahmenbedingungen des Finanzsystems zu integrieren. Die heutigen Bewertungsgrundlagen vernachlässigen all dies und sind eine schlechte Grundlage etwa zur Sicherung der Altersversorgung.

Zur optimalen Steuerung von Kapitalflüssen für eine nachhaltige Entwicklung braucht es daher eine Klassifizierung und vor allen Dingen Regeln zur Offenlegung und Transparenz von Umwelt- und Klimakriterien. Dieses einheitliche Verständnis muss im ersten Schritt entwickelt werden. Denn nur so wird offenkundig und steuerbar, wie etwa Investitionen in fossile Energien aufgrund der Klimakrise und der Ziele des Pariser Abkommens an Wert verlieren können und welche Klimarisiken im Falle mangelnden Klimaschutzes drohen. So könnten Verbraucher in Zukunft vor Vertragsabschluss von Finanzprodukten aller Art systematisch darüber informiert werden, welche Umweltrisiken vorliegen, wie das Produkt zum Umbau unserer Wirtschaft beiträgt und Chancen nutzt oder gar erst eröffnet, die die Transformation bereithält. Umwelt- und Klimaschutz zur politischen Priorität zu machen, eine klimafreundliche Wirtschaftsweise zu gestalten, das Finanzsystem als mächtigen Hebel dazu nutzen, all das muss Ziel der Bundesregierung sein, um eine gute Versorgung ihrer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Das alles ist machbar, wenn wir jetzt einen umfassenden, langfristig ausgerichteten und konsistent nachgehaltenen Veränderungsprozess anstoßen. Ein treibendes Motiv muss dabei sein, umzubauen, statt abzuschalten. Das bedeutet, Geschäftsmodelle nicht einfach aufzugeben, sondern sie zukunftsfähig zu machen und die Menschen zu befähigen, diesen Prozess mitzugestalten.