Klimadiskurs.NRW

Chancen der Emissionsreduktion – ein Diskussionsbeitrag der Energy Watch Group


So schaffen kleine und mittelständische Unternehmen den Weg zu Energiesicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz.

von Hans-Josef Fell und Sophie Marquitan

Während die 1,5°C-Grenze des Pariser Abkommens als heiliger Gral zur Eindämmung des Klimawandels in aller Munde ist, steigen Treibhausgasemissionen und globale Temperaturen weiter an. Trotz aller Ambitionen in den letzten Jahrzehnten verzeichnet unsere Welt bereits heute einen Temperaturanstieg von 1,2°C im Vergleich zu vorindustriellen Werten. Die Verbrennung von Erdöl, Erdgas und Kohle ist weiterhin Hauptquelle der Emissionen. Ein Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien würde den Ausstoß um fast 60% senken, und ist damit das entscheidende Element, um das Aussterben unserer Zivilisation zu verhindern. Daneben sind abfallfreies und emissionsfreies Materialmanagement (Kreislaufwirtschaft) sowie eine kohlenstoffsenkende Forst- und Landwirtschaft die wichtigsten Ziele, die bis 2030 verwirklicht werden müssen. Dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der auch kleine und mittelständische Unternehmen ihren Beitrag leisten müssen und wirtschaftlich profitieren können.

Wirtschaftlichkeit

Die gegenwärtigen geopolitischen Spannungen haben verdeutlicht, dass es auf Basis fossiler und atomarer Energien keine kalkulierbaren Energiekosten mehr geben kann. Die Preissteigerungen, die aufgrund von Verknappungen schon vor dem Krieg in der Ukraine angezogen haben, sprechen für sich. Inzwischen sind Sonne und Wind die kostengünstigsten Energiequellen, und auch eine stundengenaue Bedarfsdeckung nur mit Erneuerbaren und Speichersystemen ist heute schon günstiger als die Stromproduktion aus Erdgas, Atomkraft oder Kohle. Die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien in Verbindung mit Energieeinsparmaßnahmen ist damit der einzige Weg ist zu einer ökonomisch tragfähigen, kostengünstigen und verlässlichen Energieversorgung.

Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien

Alle EnergieverbraucherInnen, auch Unternehmen, sind daher gut beraten, sich jetzt einen vollständigen Plan zu erarbeiten, wie die eigene Energieversorgung in den Liegenschaften Stück für Stück bis spätestens 2030, am besten aber wesentlich früher, auf 100% Erneuerbare umgestellt werden kann. Dazu gehören alle Bereiche: Stromversorgung, Wärme-/Kältebereitstellung, Produktionsenergie und Transportenergie. Im Wesentlichen wird künftig der größte Anteil aus Ökostrom bereitgestellt über die Sektorenkopplung mit E-Mobilität (E-Auto, E-LKW, E-Busse, E-Schiffe, E-Traktoren und andere). Auch grüner Wasserstoff kann eine Rolle spielen. Die Wärme- und Kälteversorgung wird hauptsächlich auf Wärmepumpen umgestellt, die Kraft-Wärme-Kopplung mit Erneuerbaren Energien (Bioenergien auf nachhaltiger Anbaubasis wie Holz, Biogas, Pflanzenöle, Reststoffe) liefert im Winter, wenn die Sonne zu schwach ist, genau den Strom und die Wärme für die Heizung. Um Bioenergien (und damit Anbaufläche) zu sparen, sollte ein Mix aus allen Ökostromarten (Wind, Sonne, Wasser, Geothermie) verwendet werden. Die großen Solarüberschüsse des Sommers können mit saisonalen Wärmespeichern auch im Winter helfen, die Dunkelflauten zu überbrücken. Große Erdwärmespeicher, dort wo vorhanden verbunden mit geothermischer Energie, bieten große Potentiale, ebenso wie eine intelligente Steuerung mit digitalisiertem Energiemanagement. Den mit Abstand größten Beitrag wird die Solarenergie liefern, daher sind großflächige Photovoltaikanlagen auf Dächern, Fassaden und Parkplätzen, überdachte Fahrradwege und Straßen, Agrophotovoltaik und Floating Photovoltaik besonders wichtig. Wo kein Platz für ein eigenes Windrad ist, kann es gemeinschaftlich über genossenschaftliche Beteiligungen für die Eigenversorgung gebaut werden.

Viele Studien zeigen auf, dass eine solche Vollversorgung mit 100% Erneuerbaren Energien machbar und ökonomisch vorteilhaft ist: Marc Jacobsen, LUT Universität/Energy Watch Group, Energy Watch Group

Effizienzpotentiale nutzen

Beschleunigt und erleichtert wird die Umstellung auf Erneuerbare Energien, wenn auch alle Effizienzpotentiale gehoben werden. Wo noch nicht geschehen, muss die Beleuchtung auf LED-Lampen, auf Tageslichtsteuerung in den Räumen, effiziente Wärmeverteilsysteme zur Raumheizung, insbesondere großflächige Fußboden und Wandstrahlungsheizungen mit Niedertemperatur (22°C), Haus- und Dachdämmungen und Fensterrenovierungen umgestellt werden. Sinnvoll kann auch eine Schulung über Energiesparen für das Betriebspersonals sein. Logistische Systeme im Transportsektor wie Personen- und Warentransport und auch im betrieblichen Sektor vom Fahrradkurier über Car-Sharing hin zur eigenen E-Mobil-Flotte sind weitere Hebel.

Stoffstrom- und Abfallmanagement

Bereits im Einkauf ist entscheidend, darauf zu achten, dass möglichst keine Abfälle entstehen. Produkte sollten verpackungsarm, Kunststoffverpackungen nur aus nachwachsenden Rohstoffen (Biokunststoffen) sein. Unvermeidbare Abfälle sollten der Wiederverwendung oder dem Recycling möglichst vollständig zugeführt werden, und organische Reststoffe in der Biovergärung zur Energiegewinnung genutzt werden. Waren- und Personentransportwege sollten so kurz wie möglich gehalten werden, idealerweise innerhalb der Region. Dies hat Einsparung von Transportenergie und Vermeidung teurer Entsorgungskosten zur Folge.

Land- und Forstwirtschaft

Die Lebensmittelversorgung im Betrieb sollte fleischarm und aus biologischem Anbau sein, und das Wegwerfen von Lebensmitteln unbedingt vermieden werden. Wirksame Kohlenstoffsenken entstehen durch umfangreiche Begrünung der Außenanlagen der Betriebe und Häuser genauso wie Dächer und Fassaden (Schaffung von sogenannten Schwammstädten zum Hochwasserschutz). Dies trägt gleichzeitig zu Biodiversität bei.

Fazit

Gerade kleine und mittelständische Unternehmen haben durch schnelles Agieren und Implementieren der obengenannten Maßnahmen die Chance, einen zügigen nachhaltigen Wandel zu erzielen und sich damit auch in geopolitisch instabilen Zeiten auf sichere Beine zu stellen. Als Innovationstreiber können Sie schneller als andere individuelle Lösungskonzepte für sich erarbeiten. Während es keinen übergreifenden „Masterplan“ gibt, ist entscheidend, Maßnahmen anhand ihres tatsächlichen und nachhaltigen Einsparpotentials zu selektieren. Energieversorgung und -effizienz, Materialmanagement sowie Forst- und Landwirtschaft bilden dazu die größten Stellschrauben.