Klimadiskurs.NRW

5 Fragen an … Ulrike Schell


Ulrike Schell ist seit 2011 Mitglied der Geschäftsleitung der Verbraucherzentrale NRW und leitet den Bereich Ernährung und Umwelt. Die studierte Oecotrophologin war von 2013 bis 2021 auch Mitglied des geschäftsführenden Vorstands von KlimaDiskurs.NRW.

KlimaDiskurs.NRW: Ulrike, du begleitest das Thema Klimaschutz seit vielen Jahren und kennst durch deine Arbeit bei der Verbraucherzentrale und als langjähriges Vorstandsmitglied im KlimaDiskurs.NRW viele Perspektiven darauf. Wie hat sich dein Blick auf Klimaschutz als Aufgabe verändert?

In einem wesentlichen Punkt hat sich meine Überzeugung bestärkt: Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir werden sie nur dann lösen, wenn alle relevanten Akteure ernsthaft und noch engagierter zusammenarbeiten. Über alle Einzelthemen und Auseinandersetzungen hinweg sollte uns gemeinsam klar sein, dass effektiver Klimaschutz eine Grundvoraussetzung für unsere Zukunftssicherung ist. Die negativen Auswirkungen des Klimawandels träfen alle, niemand kann es sich leisten, auf Klimaschutz zu verzichten. Aus meiner Erfahrung heraus will ich heute aber auch eins noch betonen: Konkrete Maßnahmen für den Klimaschutz müssen immer auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt befördern. Die Transformation zu einer klimafreundlichen Gesellschaft muss auch einen fairen Ausgleich schaffen, wenn die Lasten auf diesem Weg unterschiedlich verteilt sind.

Im beginnenden Bundestagswahlkampf zeichnen sich Diskussionen um solche Ausgleiche ab, beispielsweise um steigende Spritpreise und die Pendlerpauschale oder die Aufteilung des CO2-Preises zwischen VermieterInnen und MieterInnen. Sind das Fortschritte in der gesellschaftlichen Debatte um mehr Klimaschutz?

Es ist richtig, dass politisch über die Rahmensetzung diskutiert wird, denn wirksamer Klimaschutz braucht auch die richtigen Anreize für unser Wirtschaften – übrigens sowohl in der Produktion als auch beim Konsum. Wichtig ist dabei, die unterschiedlichen Ebenen in der Diskussion sauber voneinander zu trennen. Selbstverständlich müssen wir individuell als BürgerInnen und VerbraucherInnen unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dass die Lasten dabei nicht einseitig übertragen werden, muss Politik mit einem verlässlichen politischen Rahmen garantieren, der Klimaschutz schon beim Wirtschaften mitdenkt. Für klimafreundliche Optionen entscheiden sich die VerbraucherInnen dann, wenn diese auch die einfachsten Optionen bei der Konsumentscheidung sind. Nur ein fairer Lastenausgleich kann gleichzeitig die Wirksamkeit der Maßnahmen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern. Das ist erfordert die Zusammenarbeit über viele unterschiedliche Akteure hinweg. Aber der Klimawandel ist eine komplexe Herausforderung, auf die wir komplexe und für die Bürger:innen verständliche Antworten finden müssen. Ohne Veränderungen auf fast allen Ebenen und Bereichen wird es nicht gehen. Je länger wir damit warten, desto schwieriger wird es.

Lass uns noch einmal auf die Lastenverteilung zurückkommen. Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht mit seiner Urteilsbegründung zum Klimaschutzgesetz der Bundesregierung die temporale Lastenverteilung prominent in den Diskurs eingebracht. Wie blickst du darauf?

Das Bundesverfassungsgericht hat etwas eigentlich Offensichtliches festgestellt: Wenn wir die wissenschaftliche Erkenntnis ernst nehmen, dass es ein fixes Emissionsbudget gibt, das wir nur einmal ausgeben können, dann müssen wir uns über eine faire Verteilung dieser Emissionen Gedanken machen – über Generationen hinweg ebenso wie über Sektoren. Und klar ist auch, dass die Jugend die größten Lasten der Klimaschutzmaßnahmen trägt, insbesondere auch von denen, die wir unterlassen zu tätigen. Daraus erwächst meiner Meinung nach der berechtigte Anspruch, dass wir jungen Menschen mehr zuhören, ihre Sorgen und Vorschläge ernstnehmen – und sie auf Augenhöhe mitbestimmen lassen über unsere gesellschaftlichen Antworten auf die Klimakrise.
Es sind ohnehin genau diese jungen Menschen die EntscheidungsträgerInnen der Zukunft. Statt Gräben zu ziehen oder zu vertiefen sollten wir daher auf Zusammenarbeit setzen. Ich denke, die Bereitschaft dazu ist vorhanden, jetzt geht es an die Umsetzung.

Bei aller Bereitschaft zum Austausch: Am Ende geht es um die Wirksamkeit der Maßnahmen. Wie gelingen effektive und messbare Klimaschutzmaßnahmen?

Das ist die zentrale Herausforderung. Diese werden wir aber nur auf der Grundlage eines ehrlichen und offenen Diskurs meistern. Wir müssen die Schwarmintelligenz aller Akteure nutzen, um die besten Lösungen für den Klimaschutz zu finden. Wir müssen bereit sein, für diese Lösungen zu streiten und uns gemeinsam aktiv für ihre Umsetzung einzusetzen. Es stimmt, die Wirkungen für einen starken Klimaschutz müssen nachweisbar sein. Es hilft aber, sich eins bewusst zu machen: Ohne solche messbaren Klimaschutzwirkungen werden wir in Zukunft mehr Klimaanpassung brauchen – wirtschaftlich und gesellschaftlich teure Anpassungen, die zukünftige Generationen stark belasten. Noch können wir die Transformation zu großen Teilen selbst gestalten.

Das schlägt den Bogen zurück zu KlimaDiskurs.NRW. Wie kann der Verein zur gesellschaftlichen Diskussion und Transformation beitragen?

KlimaDiskurs.NRW bietet seinen Mitgliedern durch vertrauensvolle Austauschformate die Möglichkeit, Themen neu zu denken. Dieser Austausch mit anderen Akteuren, das wechselseitige Verständnis für Perspektiven auf konkrete Themen, ist wertvoll und ermöglicht, festgefahrene Stillstände in Diskussionen zu verlassen und gemeinsame Lösungen zu entwickeln. Das bedeutet keinesfalls, dass alle aller Meinung sind! Aber wenn wir die Sichtweise der anderen Beteiligten kennen, können wir bessere Lösungen entwickeln und gemeinsam in die gleiche Richtung laufen. Das ist eine Voraussetzung für wirksamen Klimaschutz. Davon kann übrigens auch die Politik viel lernen: Die bestmöglichen Lösungen sollten im Zentrum stehen. Dafür ist es höchste Zeit.