Klimadiskurs.NRW

5 Fragen an … Dr. Christiane Averbeck


Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland
Dr. Christiane Averbeck ist Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland. Zu diesem Bündnis zählen über 140 Organisationen mit insgesamt 25 Millionen Mitgliedern.

KlimaDiskurs.NRW: Frau Dr. Averbeck, die Klima-Allianz Deutschland hat sich sowohl mit Forderungen zur Bundestagswahl als auch später mit Forderungen zu den Koalitionsverhandlungen aktiv in die Debatte um Klimaschutz der neuen Regierung eingebracht. Wie blicken Sie auf das Ergebnis?

Dr. Christiane Averbeck: Ohne Zweifel: Mit gemischten Gefühlen. Einerseits erkennen wir das hohe bis sehr hohe Ambitionsniveau in den Sektoren Industrie und Energie an. Andererseits fehlt uns in den Sektoren Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr doch sehr deutlich der nötige „Wumms“. Olaf Scholz hat sich im Bundestagswahlkampf als Klimakanzler plakatieren lassen. Das verpflichtet unserer Ansicht nach auf hohe Ambitionen in allen Sektoren. Vor allem aber verpflichten die zahlreichen klimapolitischen Bekenntnisse im Wahlkampf die neue Bundesregierung nun insbesondere darauf, jetzt sofort in die Umsetzung zu kommen. Die Klimakrise lässt keine Zeit mehr, wir brauchen effektive Maßnahmen, unverzüglich, sofort.

DIW Econ hat in Ihrem Auftrag eine Studie durchgeführt. Demnach reichen die geplanten Maßnahmen der Ampel-Koalition in keinem Sektor, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Was bedeutet das für die klimapolitische Glaubwürdigkeit Deutschlands?

Nun ja, es ist, was es ist. Wir sehen in vielen Bereichen ein hohes, wirklich neues Ambitionsniveau. Dass die Maßnahmen des Koalitionsvertrags trotzdem nicht ausreichen, um das 1,5 Grad-Ziel sicher zu erreichen, hat schlicht auch mit den Versäumnissen der vergangenen Jahre zu tun. Die GroKo hat sich klimapolitisch sicher nicht mit Ruhm bekleckert. Es ist vieles liegen geblieben, und jetzt wird die Zeit knapp. Als Gesellschaft müssen wir die großen Transformationsaufgaben nun in einer unglaublich kurzen Zeit schaffen. Umso wichtiger ist es, dass auch Union und Die Linke einen konstruktiven Oppositionskurs fahren. Sie werden im Bund wie auch auf Ebene der Länder wichtige Klimamaßnahmen mittragen müssen. Nur so können wir das Versäumte aufholen und glaubwürdig bleiben.

Robert Habeck hat bei der Amtsübergabe im Wirtschafts- und Klimaministerium gesagt, die Transformation der Industrie zur Klimaneutralität ist eine große strukturelle Aufgabe dieses Jahrzehnts. Was muss sich in Deutschland ändern, damit diese Transformation gelingt?

Mit seiner Aussage hat der Minister völlig Recht. Und auch die Industrieakteure selbst haben diese Aufgabe ja inzwischen mit viel Elan angenommen. Wie immer gilt: Der Rahmen muss stimmen. Das heißt in diesem Zusammenhang: Wir brauchen handwerklich gute Politik aus einem Guss. Es braucht klare Emissionsminderungspfade und eine konsistente Anreizstruktur – auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Das heißt z.B., dass klimaschädliche Subventionen endlich abgebaut werden müssen. Hier bleibt der Koalitionsvertrag einiges schuldig und auch bei der CO2-Bepreisung hätten wir uns deutlich mehr erwartet. Wir müssen endlich die fossilen Strukturen überwinden. Dass ist es, was unsere Wirtschaft dauerhaft wettbewerbsfähig macht und die gesellschaftlichen Kosten senkt.  

Welche Rolle können Zusammenschlüsse wie die Klima-Allianz Deutschland oder KlimaDiskurs.NRW in dieser Transformation spielen?

Die Klima-Allianz Deutschland ist ein Bündnis von über 140 zivilgesellschaftlichen Organisationen. Wir sprechen für 25 Millionen Menschen. Zu unseren Mitgliedern zählen Umweltverbände, kirchliche Akteure, Gewerkschaften, Unternehmensverbände, Jugendorganisationen und Akteure der Entwicklungszusammenarbeit. Damit sind wir eine wichtige integrative Kraft, die Brücken bauen kann zwischen den verschiedenen Perspektiven. Und genau darauf wird es bei der vor uns liegenden sozial-ökologischen Transformation ankommen. Wir müssen alle Menschen mitnehmen, niemand darf zurückbleiben. So nehme ich auch KlimaDiskurs.NRW wahr. Der Fokus auf einen offenen Dialog auf Augenhöhe, auf stakeholderübergreifende Diskussionen und Diskurse spielt eine wichtige Rolle im anstehenden Transformationsprozess. Ohne gemeinsame Lösungen werden wir die Ziele für diese Dekade des Handelns nicht erreichen.

Wir blicken zurück auf ein klimapolitisch bewegtes Jahr 2021. Welche Schlagzeilen wünschen Sie sich für 2022?

Ganz einfach: „Trotz erster Erfolge: Union treibt Bundesregierung beim Klimaschutz vor sich her“.