Klimadiskurs.NRW

5 Fragen an . . . Prof. Beate Küpper


Prof. Dr. Beate Küpper, Sozialpsychologin und Professorin für Soziale Arbeit in Gruppen und Konfliktsituationen an der Hochschule Niederrhein. Aktuell ist sie Partner im Verbundprojekt DEMOKON – Eine demokratische Konfliktkultur für die Energiewende unter Federführung des Potsdam Institut für Klimafolgeforschung, gefördert von der Stiftung Mercator.   

KlimaDiskurs.NRW: Frau Küpper, Wenn wir an Populismus denken, denken wir meist zuerst an die Flüchtlingskrise, den Brexit oder aktuell an die Coronapandemie. Wie unterscheidet sich der Populismus bezüglich des Klimawandels von den zuvor genannten Themen?

Der Populismus erzählt die Geschichte des von den korrupten Eliten betrogenen Volkes. Er zeichnet sich durch zwei Antagonismen aus: Der Gegenüberstellung von „bösen“ Eliten und „gutem“ Volk und der Gegenüberstellung eines „wir“ gegen ein „die anderen“ – gerichtete gegen jenen mit abweichenden Interessen, die als illegitim gelten, aber auch gegen soziale Minderheiten, die als nicht dazugehörig betrachtet werden. Zentral sind also Elitenkritik, Antipluralismus und damit verbunden, die Forderung nach Volkssouveränität, ausgedrückt in der Forderung, „dem Volk die Macht zurückzugeben“. Verbunden sind mit ihm ein manichäisches gut-böse Denken, Nationalismus und Nostalgie.

All diese Elemente finden wir auch im Populismus in Bezug auf Klimawandel und Energiewende. Bei der Energiewende erhebt sich unter anderem populistisch der Verdacht, hier wollten sich Unternehmer und Politiker nur bereichern, wer sich dagegen ausspreche, werde direkt mundtot gemacht. In der Forderung nach einem Zurück zur vermeintlich bewährten Energieversorgung findet sich das nostalgisch-verklärende Element. Hier geht der Populismus bisweilen eine Verbindung mit dem Naturschutz ein: Das heimische Naturschutzgebiet mit den bedrohten Arten wird in Stellung gebracht gegen den eher anonymen Klimaschutz. Hinzu kommt eine besondere Form der Wissenschaftsfeindlichkeit, die sich nicht generell gegen Wissenschaft richtet, sondern gegen die sogenannten „Mainstream-Wissenschaften“ (ähnlich gegen die „Mainstream-Medien“), angeblich verschworen mit den „links-grünen Eliten“.

Es müssten auch „alternative Wissenschaftler“ und die „richtigen Experten“ Gehör finden, die Eindeutigkeit der Befunde wird angezweifelt, Gutachten etwa zu Energiewendeprojekten per se für unglaubwürdig erachtet. Die Leugnung des Klimawandels hat inzwischen an Bedeutung verloren, inzwischen macht sich der Populismus eher über die Versuche lustig, den Temperaturanstieg zu begrenzen. Es zeigt sich dabei eine bemerkenswerte Verknüpfung verschiedener Themen, die der Populismus aufgreift, weil sie leicht bespielbar sind. Im Übrigen folgt bisweilen auch der Kampf gegen den Klimawandel und für die Energiewende einer populistischen Logik.

Gibt es – wie beispielsweise bei der Querdenker-Bewegung –  bei Klimawandelleugnern Überschneidungen politischer Lager?

Eine Analyse von Facebook-Seiten zu Verschwörungsmythen in Zusammenhang mit der Coronapandemie beobachtete unmittelbare Verlinkungen zu Verschwörungen zu Migration und Islam, ebenso wie zu Klimawandelleugnung. Der konstatierte „pandemische Populismus“ zeigt sich auch in den Einstellungen der Bevölkerung: Wer eine Verschwörung glaubt, glaubt auch an andere, eng verknüpft mit populistischen Einstellungen. Hier kommen auf den ersten Blick zunächst einmal Personen aus ganz unterschiedlichen politischen Spektren zusammen, von links über die Mitte bis ganz rechts. Allerdings sympathisieren sie zwar keineswegs ausschließlich, aber doch überproportional häufig mit der AfD, die Klimaschutz verächtlich macht und sich gegen die Energiewende ausspricht.

Ist der Populismus eine Begleiterscheinung von Krisen oder ist Populismus unterschwellig stets präsent und gewinnt nur durch Krisen an Auftrieb?

Populismus wird besonders in Krisenzeiten virulent, so die gängige These. Seine Grundlogik ist stets da, auch die Zugänglichkeit von Menschen für Vereinfachung, Personalisierung, Emotionalisierung, gut-böse Denken und direkte Ansprache, auch die Affinität zu Gerüchten und Skandalen schlummert. Hinzukommt eine individuell unterschiedliche Neigung zum Verschwörungsdenken. Entsprechend leicht ist der Populismus aktivierbar bzw. sind Menschen durch Populismus ansprechbar. Populistische Akteure nutzen dies ganz gezielt und greifen zeitaktuelle Themen auf, die den Menschen Sorgen bereiten. Sie interpretieren die Krise in der populistischen Logik, heizen das Gefühl kollektiver Bedrohung und Benachteiligung an und bieten sich als Heilsbringer an, der dem Volk das zurückgibt, was ihm (vermeintlich) zusteht. Krisen sind zugespitzte Veränderungen, auf die man sich nicht gut vorbereitet hat.

Die Megatrends unserer Zeit – Globalisierung, Digitalisierung, Demokratisierung (hier gibt es inzwischen einen Backlash), jüngst die Pandemie und natürlich der Klimawandel sind solche Veränderungen, die von allen Anpassungen erfordern, die zugleich riesengroß, unübersichtlich und nicht kontrollierbar scheinen – aus psychologischer Sicht wie gemacht zum Erzeugen von Angst. Hier bietet sich dann das Einfallstor für Populismus. 

Welche Instrumente sind bei der Begegnung von Populismus – besonders im Kontext des Klimawandels –  am effektivsten?

Aufklärung über Fakten ist natürlich für sich genommen wichtig, hilft aber gegen Populismus, der auf Vereinfachung setzt, nur sehr bedingt. Gerade der Klimawandel ist nun einmal sehr komplex.

Hilfreicher scheint eher die Aufklärung über das Wirken von Populismus und Verschwörungsmythen, einschließlich seines Setzens auf Emotionen wie Angst und Wut. Auch Transparenz über und die Erfahrbarkeit von demokratischen Prozessen und Entscheidungsverfahren hilft. Derzeit wird sehr auf die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger gesetzt, auch im Bereich der Energiewende.

Tatsächlich läuft es lokal dort weniger konfliktbehaftet und übrigens auch ökonomisch besser, wo die Menschen sich an Energiemaßnahmen politisch und finanziell beteiligen können. Das alles gehört zur demokratischen Bildung. Wichtig ist hierbei jedoch weniger das reine Wissen, als die Erfahrung und das Einüben demokratischer Aushandlungen, dazu gehört auch der zivile Umgang miteinander.

Ein Blick in die Zukunft: Wird der Populismus durch die immer deutlicher werdenden Folgen des Klimawandels geschwächt oder gelingt es ihm neue Narrative zu finden und somit relevant zu bleiben?

Die pure Faktizität des Klimawandels ist und wird – das steht zu befürchten – mächtig. Leider wissen wir aus der Geschichte, dass gerade Katastrophen offen sind für Verschwörungsmythen, die Pest ist hier ein Beispiel, auch der 2. Weltkrieg. Menschen flüchten sich dann in ihrer Verzweiflung in einfache Erklärungen, leider nicht selten auch solche mit antisemitischem Unterton.

Der Klimawandel, auch die Knappheit von Energie, hat zudem gravierende soziale Folgen – arme Menschen auf der Welt und auch hierzulande sind deutlich stärker betroffen. Auch dies lässt eher einen Auftrieb von Populismus befürchten. Hoffnungsvoll macht, dass die Menschen in der Breite gesehen viel progressiver sind, als manchmal unterstellt. Wachsamkeit gegenüber Populisten, auch rechtsextreme Akteure mischen mit, mehr Transparenz von Verfahren und Gerechtigkeit bei der Verteilung der Lasten können helfen, dem Populismus Nährboden zu entziehen.