Klimadiskurs.NRW

5 Fragen an … Christian Hochfeld


Christian Hochfeld ist seit Februar 2016 Direktor von der Agora Verkehrswende. Davor leitete er bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Programm für Nachhaltigen Verkehr in China. Von 2004 bis 2010 war er Mitglied der Geschäftsführung des Öko-Instituts, zuvor war er dort von 1996 bis 2004 Wissenschaftlicher Mitarbeiter.

KlimaDiskurs.NRW: Herr Hochfeld, welcher Zusammenhang besteht zwischen Mobilitätswende und Verkehrswende?

Als Verkehrswende beschreiben wir den Weg zur klimaneutralen Mobilität in Deutschland bis 2045. Die Mobilitätswende ist eine Säule der Verkehrswende: weniger Verkehr bei gleicher Mobilität durch Verlagerung von Verkehr und Verbesserung des multimodalen Verkehrssystems mit Hilfe der Digitalisierung. Nur so können wir den Energiebedarf des Verkehrs auf etwa die Hälfte senken, um ihn über Erneuerbare – insbesondere Strom aus Wind und Sonne – decken zu können. Das bezeichnen wir als Energiewende im Verkehr – die zweite Säule der Verkehrswende. Um sie zum Erfolg zu führen, brauchen wir sowohl die Mobilitätswende als auch die Energiewende im Verkehr. Nur so können wir in weniger als 25 Jahren klimaneutral unterwegs sein, während wir die CO2–Emissionen in den vergangenen 25 Jahren gar nicht senken konnten. Die Transformation unserer Mobilität ist eine Herkules-Aufgabe.

Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft des Straßenverkehrs aus?

Der Straßenverkehr wird spätestens Mitte dieses Jahrhunderts elektrisch sein – angetrieben von grünem Strom aus Wind und Sonne. Beim Pkw werden wir bis auf wenige Ausnahmen rein batterieelektrische Fahrzeuge sehen. Für diesen Weg haben sich auch die Automobilhersteller entschieden. Batterieelektrische Fahrzeuge sind die effizienteste Form, grünen Strom auf die Straße zu bringen. Da erneuerbare Energien in absehbarer Zeit knapp sein werden, schlägt sich die Energieeffizienz auch in Kosten nieder. Schon Mitte dieses Jahrzehnts könnten batterieelektrische Fahrzeuge mit Blick auf die Gesamtkosten die günstigsten sein – auch billiger als traditionelle Benziner oder Diesel. Beim Lkw ist das Rennen um den Antrieb der Zukunft noch offener. Aber auch dort zeichnet sich ab, dass batterieelektrische Fahrzeuge eine besonders große Rolle spielen werden.

Mit welchen Fahrzeugen wir in Zukunft im Straßenverkehr unterwegs sein werden, hängt davon ab, ob wir über die Stadt oder das Land reden. Während die Bedeutung des privaten Autos in unseren Städten kontinuierlich abnehmen wird, bleibt das Auto auf dem Land das dominante Verkehrsmittel.

Inwiefern profitiert auch das Land von der Mobilitätswende, wie die Agora Verkehrswende in ihren Thesen behauptet?

Lange galt die Elektromobilität als „ideale“ Mobilität für die Stadt, um die Problematik geringer Reichweiten positiv zu kommunizieren. Die sog. Reichweitenangst verliert aber inzwischen an Bedeutung. Ich würde deshalb sagen: Elektromobilität ist die beste Option für das Land. Es gibt ausreichend Platz zum Parken und zum Laden und sie ist potenziell ein Innovationsschub für die ländliche Mobilität. Das Elektrofahrzeug könnte gut mit dezentraler Produktion von Strom aus Erneuerbaren gekoppelt werden. Hinzu kommt, dass über die Digitalisierung mehr Optionen bestehen, auch den öffentlichen Verkehr grundlegend zu modernisieren – weg von starren, oft schlecht ausgelasteten, unwirtschaftlichen Angeboten hin zu bedarfsgerechten, effizienten Flächenverkehren. Mit der Modernisierung des ländlichen Verkehrs können wir mehr Daseinsfürsorge und gesellschaftliche Teilhabe schaffen. Für die gesamtgesellschaftliche Akzeptanz der Verkehrswende müssen wir den Eindruck widerlegen können, dass das Land abgehängt wird.

Deutschland muss bis 2045 klimaneutral sein, die EU plant das Aus für Verbrennermotoren bis 2035. Welche Maßnahmen müssen dazu kurzfristig umgesetzt werden?

Schauen wir auf die aktuellen Zulassungszahlen von Elektroautos, so scheint es, wir sind auf einem guten Weg: Im Dezember 2021 betrug der Anteil der Stromer an den Neuzulassungen gut 35 %. Bei dieser Dynamik ist es verständlich, dass inzwischen viele glauben, das geht einfach weiter so. Aber der Schein trügt.

Verlieren wir die Erfolgsfaktoren der letzten Jahre aus dem Auge, so könnte die Entwicklung drastisch ins Stocken geraten. Die atemberaubende Dynamik der letzten beiden Jahre ist auf die Verschärfung der europäischen CO2-Flottengrenzwerte in Kombination mit den Kaufanreizen für E-Autos zurückzuführen. Doch bis zum Ende dieses Jahrzehnts wird von der EU-Regulierung kaum ein weiterer Impuls ausgehen und die dauerhafte Subventionierung elektrischer Pkw wird in Zeiten einer pandemiebedingt angespannten Haushaltslage zurecht regelmäßig auf den Prüfstand kommen. Deshalb ist klar: Nur wenn wir die Steuern, Abgaben und Subventionen für Fahrzeuge und Antriebsenergien grundlegend reformieren sowie die CO2-Flottengrenzwerte vor 2030 verschärfen, wird der notwendige Boom der Elektroautos kein jähes Ende finden.

Welche vielversprechenden Ansätze dazu sehen Sie aktuell?

Gute Frage! „Ein zentraler Pfeiler unserer Klimapolitik ist die Verkehrswende“, so formulierte es Bundeskanzler Scholz bei seiner ersten Regierungserklärung. Doch der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung spricht da keine eindeutige Sprache. Was dort schwarz auf weiß geschrieben steht, wird nicht ausreichen, um den Verkehr auf Klimakurs zu bringen. Damit reiht sich der Koalitionsvertrag ein in die Pläne der Großen Koalition, die kein Gesamtkonzept für den Verkehr vorlegen konnte, das die Klimaschutzziele erreicht. Das ist nun die dringliche Aufgabe der neuen Bundesregierung. Inzwischen liegt eine Vielzahl von Studien verschiedenster Organisationen vor, die allesamt die Klimaschutzziele im Verkehrssektor erreichen. Die Bundesregierung muss sich nur für einen der beschriebenen Wege entscheiden. Sie muss nur wollen, aber wollen muss sie schon. Vielleicht hilft es zu wissen, dass es die letzte Regierung ist, die es in der Hand hat, die Klimaziele 2030 zu erreichen.