Wenn das Umbauen zur Kultur wird! – Gedanken zur Wertschätzung von Baubeständen

Selbstverständlich ist jedem klar, dass die Gestaltung unserer Lebens-, Wohn-, und Arbeitswelt ökologisch, ökonomisch und nachhaltig gestaltet werden sollte. Auch die realen Herausforderungen des Klimawandels sind jedermann bewusst und verlangen ein gesellschaftlich getragenes Neudenken sowie neue Herangehensweisen. Was bedeutet dies aber für die Gestaltung unserer Umwelt? Der Ruf nach einer „Bauwende“ verdeutlicht viele dieser gesellschaftlichen Erwartungen. Aber findet diese Erkenntnis derzeit eine nennenswerte Umsetzung?

Bild 1: Front / Fassade UmBauLabors in Gelsenkirchen-Ückendorf.
Bild 1: Front / Fassade UmBauLabors in Gelsenkirchen-Ückendorf.

Auch wenn das Umbauen maximal einen Tag jünger als das Bauen ist, so hat es seit dem Beginn des industriellen Bauens stark an Bedeutung eingebüßt. So stark, dass heute Fragen des Umbauens nur peripher in der Architekturausbildung berücksichtigt sind. Umbau bedeutet für viele Bauherren ein Risiko. Dies zeigt sich sehr klar in den Kalkulationen zur Wiederwendung gegenüber einer Neubauplanung. Umbau bedeutet hier: nicht zeitgerecht. Umbau heißt: nicht neuwertig.

Es stimmt: Viele Gebäude, die bereits Jahrzehnte genutzt wurden, weisen Schichten unserer Baumaterialrealitäten wie zum Beispiel Asbest auf. Wir finden diese „Zutaten“ in Wänden, Böden und Belägen. Sie zeugen von einer gewissen Verbundmaterialherrlichkeit. Nicht selten sind die ursprünglich verbauten Materialen erst freizulegen, um den Wert des Bestandes wirklich taxieren zu können. Aber dies kann sich lohnen!

Der Baubestand des Landes Nordrhein-Westfalen resultiert zu einem überwiegenden Teil aus der Bautätigkeit der 1950er bis 1970er Jahre. Sehr gerne werden zur Beschreibung dieser Bestände die Worte „hässlich“, „unvorteilhaft“, „aus der Zeit gefallen“ oder „nicht sanierbar“ verwendet. Dies belegt eine eher lustlose Betrachtung des Gebauten – und nicht von einer wertorientierten Auseinandersetzung mit Architekturen. Hilft dies nicht, werden ökonomische Berechnungsmodelle bemüht, die teils auf 20 bis 30 Jahre alten Baugesetzmäßigkeiten basieren. Aber können wir uns dies wirklich noch leisten?

Bild 2: Wandaufbruch im OG des UmBauLabors in Gelsenkirchen-Ückendorf. (Foto: Sebastian Becker)
Bild 2: Wandaufbruch im OG des UmBauLabors in Gelsenkirchen-Ückendorf. (Foto: Sebastian Becker)

Der Prozess der Raumgestaltung sollte heute mit der Analyse des Bestandes beginnen. Auf dieser Basis kann eine Neuausrichtung flexibler Raumprogramme als Instandsetzungsmaßnahme fußen. Wenn dieser Umbauansatz keinen ökologischen und realistisch bewerteten ökonomischen Mehrwert erzeugt, ist sogar ein Rückbau denkbar, der mit einer Materialgewinnung zur Widerverwendung von Stoffen und Materialien verbunden sein sollte. Dabei bieten zwei Rahmenbedingungen eine Grundlagenberechnung. Zum einem müssen alle eingesetzten Energien in einer Lebenszyklusanalyse berücksichtigt sein. Zum anderen ist eine Rückgewinnung der Ressourcen bindend. Erst in der Akzeptanz dieser Schritte und im Anschluss darf sich aus baukultureller Sicht die Frage nach einem Neubau stellen. Einem Neubau, der zirkulär und ressourcenschonend geplant und umgesetzt wird. Aber, entspricht diese Betrachtung der aktuellen Baupraxis?

Derzeit ist der kulturelle Wert des Bauens aus vielen Gründen nicht positiv bewertet. Dies sollte uns zu denken geben und die Akzeptanz gegenüber einer nachhaltig gedachten Umbaukultur stärken.

„Umbau vor Neubau!“ als kommunales Postulat wäre eine zentrale Auflage für alle Bauinteressen und ein wichtiger Beitrag für die Minimierung des sich ausweitenden

Flächenverbrauchs. Gleichzeitig unterstützt dieser Ansatz die Auseinandersetzung mit dem Baubestand und dessen Wertschätzung.

Die Synchronisation von Rückbauprozessen mit Materialgewinnungsprozessen bietet die Chance zur (effizienten) Wiedernutzung von Baustoffen und Materialien.

„Wiederverwendung von Stoffen und Materialien“ als Bauauflage kann einen dringend benötigten wirtschaftlichen Ansporn setzen und gleichzeitig dabei helfen, Ressourcenaufwände zu minimieren.

Auch die aktuelle Baugesetzgebung gibt Anlass, sie umbauorientiert zu überdenken. Eine Veränderung des aktuell gültigen Baurechts zur Unterstützung von Umbaumaßnahmen und einer Wiederverwendung von Materialien könnte dann Wirkung zeigen, wenn von vielen Material- und Stoffgruppen kein Neuwert, sondern ein Nutzungswert verlangt wird.

Dies sind nur vier Gedanken, die es wert sind, überprüft oder sogar umgesetzt zu werden. Gute Beispiele, die als Umbauprojekte spannende Alternativen zum Neubau ausweisen, gibt es bereits für viele Gebäudekategorien. Es wäre jedoch wichtig, wenn aus diesen Modellprojekten zeitnah eine grundsätzliche Veränderung unserer Position gegenüber dem Umbau erzeugt werden könnte. Erst dann kann ein energie- und ressourcenschonendes Umbauen zu einer gesellschaftlich relevanten Auseinandersetzung führen und zu einem positiv besetzten Kulturbegriff wachsen.

Bild 3: Wand mit Helmen in der Zentrale des UmBauLabors. (Foto: Tania Reinicke)