Welche Übertragungsnetze NRW für die Klimaneutralität 2045 benötigt

Henning Mevenkamp, Referent Landespolitik Nordrhein-Westfalen und Saarland, Amprion GmbH

Deutschland soll bis 2045 klimaneutral sein. Der aktuelle Netzentwicklungsplan der vier Übertragungsnetzbetreiber zeigt erstmals auf, welche Stromübertragungsleitungen dafür nötig sind. In Nordrhein-Westfalen soll so der Ausstieg aus der Kohleverstromung und der Industrie die Dekarbonisierung ermöglicht werden.

Windstrom für die Industrie in NRW

Die hohe und gleichmäßige Offshore-Erzeugung ist nach dem Rückbau von Kohle- und Kernkraftwerken die beste Option, um die Industrie klimaneutral und konstant mit Strom zu versorgen. Deshalb sind mehrere sehr leistungsstarke Gleichstrom-Verbindungen geplant, die Strom über lange Distanzen nach NRW transportieren – teilweise direkt von den Windparks bis in die industriellen Zentren.

Bedeutende Nord-Süd-Verbindungen

Insgesamt plant Amprion derzeit Gleichstromverbindungen mit einer Leistung von etwa 16 Gigawatt, um Strom aus dem Nordsee-Raum in die hiesigen Verbrauchszentren zu bringen: Windader West (8 GW), Korridor B (4 GW), A-Nord (2 GW) und BalWin 2 (2 GW). Sie befinden sich in der Planung oder im Genehmigungsverfahren, A-Nord sogar im Bau. Weil das Übertragungsnetz in Deutschland überwiegend Wechselstromtechnik nutzt, sind an den Übergängen zwischen Gleichstrom- und Wechselstromnetz Konverter notwendig. Für BalWin2 konnte ein ehemaliges RWE-Kraftwerksgelände als Standort ermittelt werden, was den Verbrauch neuer Flächen reduziert.

Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz

Diese Leitungen können etwa 16 Millionen Menschen mit Strom versorgen. Die zügige Realisierung ist dringend notwendig: Im vergangenen Jahr mussten deutsche Haushalte und Unternehmen über die Netzentgelte 3,3 Milliarden Euro an sogenannten Redispatch-Kosten bezahlen. Diese Kosten entstehen, wenn infolge mangelnder Transportkapazitäten Engpässe im Stromnetz auftreten: Dann müssen auf der einen Seite des Engpasses Kraftwerke abgeschaltet, auf der anderen hochgefahren werden, damit das Netz stabil bleibt. Beides kostet Geld. Allein die Inbetriebnahme des kleinsten Nord-Süd-Korridors A-Nord wird diese Kosten um 700 Millionen Euro pro Jahr senken. Gleichzeitig wird der Strom-Mix in NRW grüner, da weniger Kohlestrom und mehr Windstrom bei den Verbrauchern ankommt.

Ein Paradigmenwechsel für NRW

Der Netzausbau bedeutet einen gigantischen Infrastruktur-Umbau für das Land NRW. Dafür braucht es sowohl personell ausreichend ausgestattete Behörden als auch die entsprechenden Rahmenbedingungen und Unterstützung durch das Land und den Bund. Nun kommt der Netzausbau in die praktische Umsetzung. Die Bündelung von Projekten in NRW soll Eingriffe in Natur und Landschaft so gering wie möglich halten. Ganz vermeiden lassen sie sich jedoch nicht.

Chance für Klimaneutralität und Wirtschaft

Der Netzausbau ist trotz aller Herausforderungen aber auch eine riesige Chance. Langfristig betrachtet, wird er NRW eine nachhaltige und stabile Energieversorgung sichern. Dies ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit der Region, für den Erhalt der Industrien und für neue Arbeitsplätze. Die Erfahrungen und Technologien, die hier bei der Entwicklung einer klimaneutralen Wirtschaft entstehen, könnten Unternehmen aus NRW international neue Märkte erschließen.

Fazit

Die kommenden Jahre werden zeigen, wie konsequent die ambitionierten Pläne unterstützt werden. Die Herausforderungen sind vielfältig und erfordern die Zusammenarbeit aller Beteiligten – von der Politik über die Industrie bis hin zur Gesellschaft. NRW hat jetzt die Chance, durch den Ausbau der Übertragungsnetze eine führende Rolle in der Energiewende zu übernehmen. Die Transformation des Energiesystems ist ein komplexes Unterfangen, doch mit Entschlossenheit und Kooperation kann NRW zeigen, dass der Weg zur Klimaneutralität möglich und lohnenswert ist.