Wasserstoff aus afrikanischen Ländern – Wem nützt er unter welchen Bedingungen?

Stefanie Westermann & Dr. Sven Rudolph, Institut für Kirche und Gesellschaft

Grüner Wasserstoff steht im Fokus der sozial-ökologischen Transformation, doch Deutschlands Bedarf übersteigt die Produktionskapazitäten. Eine Lösung: Importe aus wind- und sonnenreichen afrikanischen Ländern. Die Herausforderung liegt in der Gestaltung fairer Lieferketten, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen. Der Weg zu gerechten Partnerschaften und nachhaltiger Entwicklung wird intensiv diskutiert. Ein Überblick:

 

Grüner Wasserstoff: Chancen und Herausforderungen internationaler Partnerschaften

Grüner, also ausschließlich mit erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff, gilt als ein zentrales Element der sozial-ökologischen Transformation, in Deutschland und weltweit. Zu den vielversprechendsten Nutzungsbereichen in Deutschland gehört die industrielle Produktion vor allem in energieintensiven Industrien wie der Stahl- und Zementindustrie. Der benötigte Grüne Wasserstoff kann allerdings nur in sehr begrenztem Maße in Deutschland produziert werden, weit über die Hälfte des Bedarfes wird daher aller Voraussicht nach importiert werden müssen. Aufgrund der günstigen Bedingungen – viel Wind und viel Sonne – und des daraus resultierenden großen Potentials für die benötigten regenerativen Energien sind dabei nicht zuletzt afrikanische Länder im Gespräch; konkrete Projekte gibt es z.B. bereits in Namibia.

Energiepartnerschaften mit afrikanischen Ländern: notwendige Rahmenbedingungen

Solche Energiepartnerschaften erfordern jedoch Rahmenbedingungen, die ökologische, soziale, ökonomische und politische Aspekte in den Blick nehmen und gerechte (Handels-)Beziehungen zwischen den Export- und Importländern ermöglichen. Ob und, wenn ja, wie sich diese umsetzen lassen, damit beschäftigte sich die Tagung „Auf der Suche nach der guten Lieferkette – Importstrategien für Wasserstoff unter Berücksichtigung entwicklungspolitischer Fragestellungen“ – eine gemeinsame Veranstaltung von Engagement Global und dem Institut für Kirche und Gesellschaft in Zusammenarbeit mit Brot für die Welt und KlimaDiskurs.NRW – im Dezember in Bonn.

Entwicklungspolitische Fragestellungen: Die Suche nach gerechten Lieferketten

Dabei geht es nicht nur um den Schutz der Biodiversität, die Einhaltung der Menschenrechte oder die Verbesserung der Energieversorgung vor Ort in den afrikanischen Erzeugerländern, sondern, wie es Felix Matthes, Mitglied im Nationalen Wasserstoffrat, auf der Konferenz formulierte, um „eine industrie- und entwicklungspolitische Debatte über die Wertschöpfungsaufspaltung zwischen globalem Norden und Süden“.

Afrikanische Perspektiven: Wertschöpfung und Arbeitsplätze

Aus Sicht der afrikanischen Produktions- und Exportländer stellten sich nach Auffassung eines entwicklungspolitischen Experten dabei vor allem folgende Fragen: Wie verlässlich ist der Globale Norden als Abnehmer? Welche Preise können erzielt werden? Und welcher Teil der Wertschöpfung, inklusive der damit verbundenen Arbeitsplätze, bleibt auch auf mittlere Sicht in Afrika? Denn auch wenn beim Bau von Wasserstoffanlagen eine größere Zahl von Arbeitsplätzen entstehen, für den Betrieb und die Wartung sind es deutlich weniger. Und es werden große Ressourcen an Land, Süßwasser – insbesondere aus entsalztem Meerwasser – und Geld zum Aufbau der entsprechenden Infrastruktur benötigt und gebunden.

Zivilgesellschaftliche Perspektiven: Fairness statt Augenhöhe

Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in Afrika wiesen dann auch daraufhin, dass aufgrund historisch etablierter ungleicher Machtverhältnisse eine „Partnerschaft auf Augenhöhe … ein Märchen“ sei. Was stattdessen möglich sei, sei „die Etablierung gerechter (Handels-)Beziehungen“ unter Berücksichtigung der Asymmetrie der Kräfteverhältnisse. Bisherige Wasserstoffprojekte in Afrika wurden von den afrikanischen Vertreter*innen äußerst kritisch gesehen. Bemängelt wurden vor allem eine konsequente Einbeziehung der lokalen Bevölkerung aber auch die Berücksichtigung von Belangen des Naturschutzes, der Süßwasserversorgung und der Wertschöpfung vor Ort. Zum Teil wird die Produktion von grünem Wasserstoff auch als Chance für die lokale nachhaltige Entwicklung gesehen. Notwendig sei dabei aber vor allem die Schaffung global verbindlicher Richtlinien und Zertifizierungen, die die Einhaltung ökologischer und sozialer Leitplanken garantiere. Allerdings dürften diese nicht allein vom Globalen Norden per Lieferkettengesetz und Nachhaltigkeitskriterien gesetzt, sondern müssten im Dialog mit den Ländern des Globalen Südens erarbeitet werden. Grundsätzlich wichtig seien, darauf wurde bei der Tagung immer wieder verwiesen, eine offene Kommunikation der jeweiligen Interessen, Transparenz und Mitsprache sowie eine realistische Abwägung der Möglichkeiten und Grenzen von Wasserstoffprojekten vor Ort.

Engagement Global / Tobias Thiele