Sharing Mobility in Gefahr

Wie neue Regularien die betriebliche Mobilität gefährden

Johannes Knippenberg, Regionalmanager Deutschland West, Tier-Dott

Sharing ist längst im Unternehmen angekommen. Betriebe nutzen sie zur Bindung von Fachkräften und Städte haben sie als Standortfaktor erkannt. Die junge Mobilitätsform droht aber von den Regularien erstickt zu werden. Steht die neue Mobilität schon vor dem Aus?

E-Scooter- und E-Bike-Sharing ist längst nicht mehr aus unseren Städten wegzudenken. Allein in Deutschland sind die Fahrzeuge in der Verleihfirmen in weit über 100 Städten Teil des Mobilitätsalltags zahlreicher Bürgerinnen und Bürger geworden. Aber auch in den Randlagen in Industrieparks und Gewerbegebieten entdecken mehr und mehr Unternehmen die Vorteile von “new mobility”.

Dabei ist die Nutzung für den Arbeitsweg ein interessanter und wenig beachteter Anwendungsfall, der einen genaueren Blick lohnt.

Viele Unternehmensstandorte liegen in der Randlage und der Arbeitsweg ist ohne eigenen PKW eine Herausforderung: Gerade junge Menschen können oder wollen aber immer öfter nicht darauf zurückgreifen, sei es aus finanziellen Gründen oder aus Umweltbewusstsein. Die Alternativen sind häufig nicht besser: Car Sharing ist meist zu teuer oder nicht verfügbar; Mitfahrgelegenheiten sind eine gelegentliche Ergänzung, aber selten zuverlässig.

Die naheliegende Alternative ist der ÖPNV mit seinem breiten Streckennetz und erschwinglichen Tickets. Die Nachteile liegen aber auch hier auf der Hand, denn die Haltestellen liegen oft am Rande des Gewerbegebiets und die Taktung ist kaum Nachtschicht freundlich. Genau hier stoßen Mikromobilitätsfahrzeuge in eine Lücke und gleichen die Schwächen aus. Die Fahrzeuge sind zu jeder Tages- und Nachtzeit verfügbar und das Bediengebiet kann jederzeit flexibel angepasst werden, um Haltestelle und Unternehmensstandorte miteinander zu verbinden.

Anbieter von E-Scooter und E-Bike Sharing haben den Bedarf längst erkannt: Tier-Dott beispielsweise bietet vielen Unternehmen auf Anfrage 20% Rabatt für alle Mitarbeitenden, um zusätzliche Anreize zu schaffen, dauerhaft auf den Umweltverbund zu setzen. Mit Erfolg: Mehr als 50% der Nutzenden verbinden ihre Fahrt mit dem E-Scooter oder E-Bike mit dem ÖPNV.

Auch in den Kommunen gerät das Steuerungsinstrument langsam ins Bewusstsein: Politik und Verwaltung sehen sich der Herausforderung gegenübergestellt, trotz knapper Ressourcen die Standortattraktivität zu erhöhen und die Konnektivität zu verbessern. E-Tretroller und Co. kommen da gerade gelegen, da sie nicht nur flexibel einsetzbar sind, sondern darüber hinaus gänzlich ohne Subventionierung auskommen.

Während hunderttausende Bürgerinnen und Bürger Tag für Tag mit Sharing-Fahrzeugen zur Arbeit pendeln und Unternehmen wie Kommunen die Vorteile der neuen Mobilitätslösungen für die eigenen verkehrspolitischen Herausforderungen nutzbar machen, gerät das gesamte Geschäftsmodell aus einer anderen Richtung unter Druck.

Foto: Tier Mobility SE

Der Referentenentwurf zur Novelle der Elektrokleinstfahrzeugeverordnung beinhaltet Sprengstoff: Die im Grundsatz begrüßenswerten Anpassungsvorschläge sind in der letzten Minute um einen Passus ergänzt worden, der E-Bike und E-Scooter sharing de facto vor das “Aus” stellt: Mietflotten sollen künftig nur noch auf kommunalen Parkflächen abgestellt werden dürfen. Aktuell sind aber kaum Flächen verfügbar. Die Identifizierung von Flächen; Befreiung von Nutzungskonflikten und schließlich Umwidmung für Mikromobilitätsfahrzeuge ist ein langwieriger Prozess. Selbst in fortschrittlichen Städten wie Düsseldorf geht die Abdeckung nach Jahren Arbeit nicht weit über die Innenstadt hinaus.

Bis eine auskömmliche Abdeckung in den Randlagen der Gewerbegebiete und Industrieparks angekommen ist, dürften also noch Jahre vergehen. Sofern die finale Fassung der Novelle nicht substanzielle Änderungen erfährt, könnte es daher sein, dass das zarte Pflänzchen betriebliche Sharing-Mobilität schon im Keim erstickt wird.