Kultur: Nur ein Feierabendthema?

von Bernhard König, Klima-Allianz Deutschland

„Kultur und Klimaschutz“: So lautet eines der diesjährigen Schwerpunktthemen der Klima-Allianz Deutschland, eines großen zivilgesellschaftlichen Bündnisses für den Klimaschutz. Unter anderem sind für Herbst vier Zukunftswerkstätten geplant – eine davon auch in NRW. Aber warum überhaupt diese beiden Themen zusammen denken?

Für viele Menschen hat Kultur mehr mit Freizeit und Feierabend zu tun als mit Klimaschutz. Dieser wird zwar mit großer Selbstverständlichkeit als ein technologisches, ökonomisches, sozialpolitisches und sicherheitsrelevantes Thema verhandelt, aber nur selten als ein kulturelles. Doch der Begriff „Kultur“ hat viele Bedeutungen, die auf ganz unterschiedliche Weisen mit der Klimakrise und dem Klimaschutz verbunden sind.

Kulturelle Herausforderungen durch Klimafolgen

Eine dieser Bedeutungen schwingt immer dann mit, wenn von „kultureller Vielfalt“ oder „kulturellem Austausch“ die Rede ist: Menschen werden durch ihr Umfeld, ihre Religion oder ihre Community geprägt. Kulturelle Vielfalt beinhaltet viele Chancen und kann sehr bereichernd sein. Sie kann aber auch Fremdheitsgefühle und Konflikte auslösen – vor allem dann, wenn Menschen gegen ihren Willen ihre Heimat verlassen müssen. Klimaflucht ist schon jetzt bittere Realität und wird wohl weiter zunehmen. Nicht unwahrscheinlich, dass ein Teil der Flüchtenden in Mitteleuropa Zuflucht suchen wird. Ihr materielles Hab und Gut wird häufig sehr klein sein. Aber sie werden ihre Lieder, Erinnerungen und Glaubensüberzeugungen im Reisegepäck haben. Eine solche Situation wird sich nicht allein durch die herkömmlichen Rezepte der Klimaanpassung bewältigen lassen. Sie wird auch die Mitmenschlichkeit und das Zusammenleben auf die Probe stellen und kulturelle Herausforderung bereithalten, auf die neue Antworten gefunden werden müssen.

Verhalten ist kulturell geprägt – auch in Bezug auf Klimaschutz

Eine weitere Bedeutung ist in Begriffen wie „Alltagskultur“ oder „Esskultur“ enthalten: Die Art, wie wir Menschen unser Leben und Wirtschaften gestalten, ist nicht naturgegeben, sondern kulturell vermittelt. Dem jüngsten Sachstandsbericht des Weltklimarates (AR6, IPCC) zufolge können die globalen Treibhausgas-Emissionen durch ein verändertes Konsum-, Nutzungs- und Nachfrageverhalten um 40-70% gemindert werden. Dabei weist der IPCC ausdrücklich darauf hin, dass diese Verhaltensweisen durch soziale und kulturelle Normen geprägt sind und dass die entsprechenden Minderungsoptionen mit einer Verbesserung des grundlegenden Wohlergehens für alle vereinbar sind.

Die spannende Frage ist, ob „die“ Kultur (mit all den darin mitschwingenden Bedeutungen) an dieser Stelle auch zu einem Teil von Lösungen werden kann. Wie lässt sich eine solche kulturelle Transformation gestalten? Braucht es dafür vielleicht noch etwas ganz anderes als neue Technologien? Nämlich neue (und alte) Erzählungen, Werte, Rituale, Bilder, Geschichten und Lieder, die den Wandel kulturell plausibel machen?

An dieser Stelle kommt jene Bedeutung von „Kultur“ ins Spiel, die viele von uns eher mit Freizeit und Feierabend assoziieren: Auch die kulturelle Transformation braucht gesellschaftliche Akteure, die sich für sie einsetzen und mutig vorangehen. Dazu könnten beispielsweise unsere vielfältigen Kulturinstitutionen gehören – aber auch Religionsgemeinschaften, Medien, Vereine und Bildungseinrichtungen.

Wie diese Beiträge zum kulturellen Wandel aussehen können? Genau dies wird eines der Themen der geplanten „Zukunftswerkstätten Kultur und Klimaschutz“ sein.

Zukunftswerkstatt in NRW vom 27.10. – 29.10.2023

Die „Zukunftswerkstatt Kultur und Klimaschutz“ für NRW findet vom 27. bis 29. Oktober 2023 in Bonn statt. Gastgeber vor Ort sind Germanwatch und das International Center for Comparative Theology and Social Issues (CTSI) der Universität Bonn.

Weitere Zukunftswerkstätten: Bremerhaven (18./19.9.), Berlin (21./22.9.) und Karlsruhe (9.-11.11.).

Die Anmeldung und weitere Informationen finden Sie auf den Seiten der Klima-Allianz.