Klimageld hat Priorität

Dr. Christine Wilcken, Beigeordnete Leiterin des Dezernats Klima, Umwelt, Wirtschaft, Brand- und Katastrophenschutz, Deutscher Städtetag

Viele Menschen kommen mit den hohen Energiepreisen nicht mehr zurecht. Daher darf die Einführung eines zielgenauen Klimagelds nicht weiter verzögert werden. Das ist auch deswegen dringend notwendig, weil wir mit einem steigenden CO2-Preis künftig Preissignale setzen müssen.

Deutschland steht vor einem gigantischen Umbau seiner Energieinfrastruktur: Millionen Wärmepumpen und E-Fahrzeuge erfordern ein stabiles und intelligentes Stromnetz. Wärmenetze müssen ausgebaut und dekarbonisiert werden; Gasnetze transformiert, stillgelegt oder gar zurückgebaut werden. Jüngst ist der Startschuss für das Wasserstoffkernnetz gefallen. Das alles gibt es nicht zum Nulltarif. Schon jetzt sind die Energiekosten stark gestiegen.

Der Weg zu einem klimaneutralen Leben und Wirtschaften braucht gesellschaftliche Akzeptanz und muss sozial abgefedert werden. Die Mehrheit der Gesellschaft unterstützt Maßnahmen für mehr Klimaschutz. Viele Menschen sorgen sich um unser Klima und erkennen, dass der Klimawandel längst auch bei uns Realität ist. Zugleich treibt die Menschen die Sorge vor Wohlstandsverlust und sozialem Abstieg um. Deshalb darf bei den Menschen beim Klimaschutz nicht als einziges Signal ankommen, dass Strom, Heizen und Tanken teurer werden. Die Bundesregierung darf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld nicht auf die nächste Legislatur verschieben. Einnahmen aus dem CO2-Emissionshandel müssen zurückverteilt werden.

Sozial gerecht und keine Gießkanne für jede und jeden

Einkommensschwache Haushalte werden durch steigende Energiekosten überproportional belastet. Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag ein Klimageld als Pro-Kopf-Pauschale angekündigt. Bei allem Handlungsdruck muss geschaut werden, welche Zielgruppen einbezogen und welche Kriterien für die Auszahlung eines Klimagelds angesetzt werden sollten. Die Menschen müssen das Gefühl haben, dass es irgendwie gerecht zugeht. Gleichzeitig gilt es, Einsparanreize bei klimaschädlichen Emissionen zu halten. Zielgenaue Entlastung und unbürokratische Auszahlung – kann das funktionieren? Die Debatte muss geführt und Wege durchgespielt werden. Dass wir einen Auszahlungsmechanismus benötigen, der zur gezielten Entlastung unkompliziert, ohne Aufwand und unerwünschte Mitnahmeeffekte zur Verfügung steht, haben auch die Corona- und Energiekrise gezeigt. Daher muss schnellstmöglich ein Mechanismus entwickelt werden, der für das Klimageld, aber auch für Hilfszahlungen in Krisenlagen genutzt werden kann. Technisch ist es möglich. Detaillierte Einzelfallprüfungen wird es nicht geben können. Umso wichtiger ist es, die Expertise der Städte in diesen Prozess einzubeziehen.

CO2-Preis ist wirksamer Hebel

Ein Klimageld ist auch deswegen richtig, weil wir mit einem steigenden CO2-Preis künftig Preissignale setzen müssen. Der CO2-Preis ist ein zentrales Steuerungsinstrument in der Klimapolitik. Nur wenn der CO2-Preis ausreichend hoch angesetzt ist, kann er die nötige Lenkungswirkung zur Vermeidung und Verminderung von Treibhausgasen entfalten. Heute sind es noch 45 Euro pro Tonne CO2. Im Deutschen Städtetag können wir uns einen Anstieg bis zu 90 Euro pro Tonne CO2 für 2025 vorstellen. Bevor aber ein höherer CO2-Preis kommt, muss klar sein, dass ein Teil des eingenommenen Geldes vom Bund sozial gerecht als Klimageld zurückgezahlt wird.

Übergang zum ETS II schon jetzt in den Blick nehmen

Die Frage des Preispfades ist zudem keine, die wir in Deutschland allein gestalten. Denn die Preise für den CO₂-Ausstoß von Gebäuden und Verkehr bilden sich ab 2027 über den europäischen Emissionshandel (ETS II). Dieser löst die in Deutschland geltenden CO₂-Festpreise ab. Durch diesen Wechsel von einem preis- zu einem mengengesteuerten Instrument entsteht zusätzlicher Handlungsbedarf: Die Einführung des ETS II birgt das Risiko sprunghafter Preisanstiege von Treibstoff- und Heizkosten. Schätzungen gehen von über 200 Euro pro Tonne CO₂ im Jahr 2027 aus. Umso wichtiger ist es daher, dass die Bundesregierung ein Konzept für den Übergang vom nationalen CO2-Handel zum europäischen Emissionshandel vorlegt. Es braucht Planungs- und Investitionssicherheit für die Bürgerinnen und Bürger, für die Wirtschaft und für die kommunalen Versorger. Preisschocks müssen verhindert werden. Auch deswegen muss über eine moderate Erhöhung des national geltenden CO2-Preises nachgedacht werden.

Fazit

Energiewende und Wärmewende können nur gelingen, wenn sie von der nötigen Akzeptanz getragen werden. Das Klimageld hat Priorität und muss jetzt technisch und rechtlich vorbereitet werden, damit es spätestens zur nächsten Heizsaison ausgezahlt werden kann.