Grüner Stahl für grüne Wertschöpfungsketten

Von Dr. Martin Theuringer, Geschäftsführer & Gerhard Endemann, Leiter für Nachhaltigkeit der Wirtschftsvereinigung Stahl

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden und die Industrie wird dazu einen massiven Beitrag leisten. Allein in der Stahlindustrie geht es dabei um eine Größenordnung von 55 Mio. Tonnen CO2-Emissionen, die jährlich eingespart werden können. Mehr als 20 Mio. t können durch den Umstieg auf neue Technologien mit grünem Wasserstoff bereits bis 2030 der Vergangenheit angehören. Aber wie kann der grüne Stahl seinen Weg in Produkte oder auch Infrastrukturen finden?

Von Dr. Martin Theuringer, Geschäftsführer & Gerhard Endemann, Leiter für Nachhaltigkeit der Wirtschftsvereinigung Stahl

Das Ziel ist klar und die notwendigen Technologien sind bekannt. Zwei Wege führen die Stahlindustrie in die Klimaneutralität: Zum einen die schrottbasierte Elektrostahlroute, über die bereits heute rund 30 Prozent des Rohstahls produziert werden und die grüner wird, je mehr Grünstrom zur Verfügung steht. Zum anderen gibt es die Direktreduktion auf der Basis von Wasserstoff oder im Übergang auch mit Erdgas. Beides zusammen sind zentrale Bausteine für eine klimaneutrale Stahlindustrie in Deutschland.

Die große Herausforderung dabei ist, dass sich der emissionsärmere Stahl in den technischen Eigenschaften nicht von konventionell produziertem Stahl unterscheidet, aber bislang höhere Herstellungskosten hat. Daher ist es wichtig, dass die Stahlunternehmen gerade mit Blick auf die technologischen Herausforderungen und enormen Investitionen in der Transformation eine Perspektive für den Verkauf ihrer grünen Produkte haben. Nur dann können sich grüne Leitmärkte als Absatzmärkte etablieren.

Erfolgsfaktoren für grüne Leitmärkte

Dafür müssen mehrere Zahnräder ineinandergreifen: Zum einen durch fortschrittliche Abnehmer entlang der Wertschöpfungskette, die die Emissionen ihres Endprodukts verringern wollen und bereit sind, für grüne Produkte etwas mehr auszugeben. Zum anderen kann gerade im öffentlichen Sektor die Nachfrage nach überwiegend emissionsfreien Grundstoffen gestärkt werden, z.B. bei Infrastrukturen wie Brücken. Zusammen mit weiteren politischen Instrumenten wie staatlichen Projektförderungen und Anschubfinanzierungen, darunter besonders die von der Bundesregierung aktuell vorbereiteten Klimaschutzverträge, kann ein erstes Angebot an grünem Stahl sichergestellt und dann Schritt für Schritt ausgebaut werden.

Grüne Energien für die Transformation

Für die Stahlunternehmen ist das Ziel eine klimaneutrale Stahlproduktion bis zur Mitte des Jahrhunderts. Hierfür stellen sie nach und nach auf klimafreundliche Prozesse um, Hochofen für Hochofen, Aggregat für Aggregat. Eine zentrale Voraussetzung für eine grüne Stahlproduktion ist die verlässliche und bezahlbare Versorgung mit sauberer Energie. Hierfür muss das Angebot von grünem Strom und klimaneutralem Wasserstoff noch wachsen. Von diesen Faktoren ist die produzierte Menge an grünem Stahl maßgeblich abhängig.

Grüner Stahl für grüne Endprodukte

Doch nicht nur mit der Dekarbonisierung der Stahlerzeugung selbst leistet die Branche einen entscheidenden Beitrag zum Erreichen der Klimaziele. Mit seiner besonderen Stellung am Beginn zahlreicher Wertschöpfungsketten sorgt grüner Stahl für deutlich weniger Emissionen in Endprodukten. Ein Beispiel: Der CO2-Anteil des eingesetzten Stahls in einer Waschmaschine beträgt ca. 25 Prozent des Gesamtfußabdruckes. Und auch die Infrastrukturen in Deutschland werden durch den Einsatz von grünem Stahl immer klimafreundlicher.

Der Klimaschutzeffekt von grünem Stahl ist also in mehrfacher Hinsicht gegeben. Und wenn es in Deutschland bzw. in Europa gelingt, eine nachhaltige Nachfrage für klimafreundliche Stahlprodukte zu etablieren, kann dies zudem ein Vorbild für andere Regionen der Welt sein, um in klimafreundliche Produktionstechnologien zu investieren.

Auf dem Weg zum grünen Stahl – nächste Schritte

Damit die Transformation gelingt, sind die Stahlunternehmen darauf angewiesen, dass die Klimaschutzverträge so schnell wie möglich greifen. Sie geben den Unternehmen Planungssicherheit, wenn sie jetzt ihre Klimaschutzinvestitionen auf den Weg bringen und die Transformation umsetzen.

Perspektivisch muss grüner Stahl aber durch den Markt finanziert werden. Daher ist der Aufbau von grünen Leitmärkten so wichtig. Dieser benötigt allerdings Zeit, gerade wenn es darum geht, diese international abzustimmen und auch auf der europäischen Ebene zu verankern. Die Grundlagen für Ihr Entstehen müssen dennoch jetzt von der Politik gelegt werden. Damit wären entscheidende Weichen für den Erfolg der Transformation und die grünen Wertschöpfungsketten der Zukunft gestellt.