5 Fragen an…

Franz August Emde

Klimaanpassung rückt zunehmend in den Fokus – nicht zuletzt, weil viele Folgen des Klimawandels bereits Realität sind. Welche Bedeutung hat Klimaanpassung innerhalb der Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein- Westfalen – insbesondere im Vergleich zum Klimaschutz

Franz Emde:
Wir leben mitten im Klimawandel – auch in Nordrhein-Westfalen: Die Auswirkungen des Klimawandels werden in Abhängigkeit von den Anstrengungen im Klimaschutz deutlich zunehmen. Schon heute sind die Folgen in unserem Alltag spürbar: Die zunehmende Anzahl von Hitzetagen und Trockenheit einerseits sowie Starkregenereignisse und Überflutungen andererseits beeinträchtigen das Leben und Wirtschaften immer stärker. Wir erleben zum Beispiel sinkende Grundwasserstände und regionalen Wassermangel, eine drastische Verschlechterung des Zustands der Wälder, Ernterückgänge in der Landwirtschaft, einen eingeschränkten Warentransport durch Niedrigwasser in den Flüssen, Waldbrände und erhebliche Gesundheitsbelastungen bis hin zu Toten durch Fluten und Hitze.

Die gute Nachricht lautet: Mit vielen Klimaanpassungsmaßnahmen wird Nordrhein-Westfalen Deutschland an vielen Stellen sicherer und sogar lebenswerter, wenn zum Beispiel grüne Schattenbereiche in Städten angelegt oder Trinkwasserbrunnen im öffentlichen Raum installiert und Überflutung gemildert werden.

Mit Maßnahmen des natürlichen Klimaschutzes wird gleichzeitig Klimaanpassung erreicht und ein Beitrag zur Biodiversitätssteigerung geleistet. Dies erhöht die Lebensqualität in Städten und Gemeinden deutlich. Denn jeder Straßenbaum, oder jede Dach-/Fassadenbegrünung ist nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern wirkt unmittelbar im Lebensumfeld durch Kühlung und Verdunstung. Dies gilt auch für naturbasierte Lösungen beim Wassermanagement: Schwammstädte oder Wasserrückhalt durch Zisternen, die Gärten und Straßenbäume bewässern. Renaturierte Bäche und Auen mit definierten Überflutungsflächen mildern Hochwassergefahren und sind gleichzeitig attraktive Erholungsräume.

Aber diese Maßnahmen müssen vor Ort Akzeptanz finden, damit sie schnell umgesetzt werden. Dafür ist bürgerschaftliches und zivilgesellschaftliches Engagement sehr wichtig, nicht nur bei der Eigenvorsorge, sondern bei der Umsetzung von Maßnahmen zu einer klimarobusten Stadt.

Die Stiftung Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen fördert mit dem „Netzwerk Klimaanpassung lokal“ ein Projekt, das ganz konkret auf die kommunale Ebene geht. Was hat Sie an dem Konzept besonders überzeugt?

Franz Emde:
Für die Stiftung liegt der Fokus dabei vor allem auf dem Potential des bürgerschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements im Zusammenspiel mit kommunalen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Akteursgruppen. Denn Städte, Gemeinden und Kreise sind zentrale Umsetzungsakteure der Klimaanpassung. Wir brauchen möglichst flächendeckende Klimaanpassungsplanung auf kommunaler Ebene, um aktuellen und künftigen Klimarisiken zu begegnen. Das Projekt unterstützt die Umsetzung der Deutschen Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels (DAS) und der Landesstrategie. Klimaanpassung bietet Chancen für neue Allianzen und die Nutzung von Synergien. Mit einer Beteiligung unterschiedlicher Akteursgruppen und einer umsetzungsorientierten Weiterbildungs- und Vernetzungsarbeit kann es gelingen, mehr Menschen für die Mitarbeit an Klimaanpassungsmaßnahmen zu gewinnen.

Ein Kernelement unseres Projekts ist der Aufbau lokaler Netzwerke aus engagierten Schlüsselpersonen – von der Verwaltung über Zivilgesellschaft bis hin zu Unternehmen. Wie beurteilen Sie allgemein “ungewöhnliche” Bündnisse im Bereich von Klimaschutz und Klimaanpassung?

Franz Emde:
Bei der Klimaanpassung sind sektorübergreifende Maßnahmen und Antworten erforderlich. Von daher wird es nicht ohne ein Zusammenspiel sämtlicher Akteure in einer Kommune gehen. Die Wirtschaft wird auch noch in der Zukunft produzieren wollen, die Sportler wollen weiter ihre Sportanlagen nutzen. Die Bürgerschaft will sicher und auch gut in der Zukunft leben wollen und vor Gefahren geschützt sein. Große Allianzen mit unterschiedlichen Akteursgruppen bringen vielfältiges Wissen, Ressourcen und bestimmte Herangehensweisen ein. Das erhöht die Chance auf kreative, robuste und nachhaltige Lösungen. Das Stichwort ist hier Resilienz und der Weg dahin muss auf Kompetenz, Vertrauen und Legitimität fußen.

In unserem Projekt kombinieren wir Bildungsarbeit mit Handlungsperspektiven und setzen auf Empowerment durch Wissen. Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht Bildung im Kontext der Klimaanpassung, gerade mit Blick auf gesellschaftliche Resilienz?

Franz Emde:
Wie bei der Lösung aller großen Herausforderungen geht es um drei Dinge: Kapazitätsaufbau, Stärkung der Handlungskompetenz und politische/gesellschaftliche Teilhabe. Viele zivilgesellschaftliche Organisationen benötigen Wissen, aber auch Ressourcen, um bei der Klimaanpassung kompetent mitzuwirken. Bildung muss zudem die Lösungs- und Handlungskompetenz der Menschen fördern, um aktiv auf die Herausforderungen des Klimawandels zu reagieren – individuell und strukturell. Wir brauchen in den Kommunen die konkreten Möglichkeiten, z.B. Bürgerwerkstätten, dass sich die Menschen engagieren und sich in politische Prozesse einbringen können. Das ist eine wichtige Vorrausetzung für die Akzeptanz der Klimaanpassungsmaßnahmen.

Wenn Sie in die Zukunft blicken: Welche Strukturen und Akteur*innen braucht es, damit Klimaanpassung in Nordrhein-Westfalen dauerhaft erfolgreich sein kann?

Franz Emde:
Zunächst einmal brauchen wir das gemeinsame Verständnis, dass Klimaanpassung eine Querschnittsaufgabe ist. Sektorales und Silodenken in den Verwaltungen und bei politischen Akteuren helfen nicht weiter. Klimaanpassungsmanager*Innen müssen in der kommunalen Verwaltung als Stabstelle alle erforderlichen Schritte im Blick haben und auf deren Umsetzung pochen. Neben Bürgerwerkstätten, in denen gemeinsam Maßnahmen erarbeitet werden, wäre ein beratendes, kommunales Gremium sinnvoll, in dem die Stadtgesellschaft repräsentativ eine Prioritätensetzung vorschlagen kann. Die Stiftung sieht sich in diesem Gefüge als Vermittlerin, Ermöglicherin und Verstärkerin lokaler Impulse. Sie kann den Aufbau von Strukturen unterstützen, die dauerhaft, lernfähig und partizipativ sind – denn nur so kann gesellschaftliche Resilienz gelingen.

Franz August Emde, Leitung der Geschäftsstelle Bonn, Stiftung für Umwelt und Entwicklung Nordrhein-Westfalen