Eva Vollmer ist Winzerin in Rheinhessen. Sie wurde zusammen mit Hanneke Schönhals für die Initiative ‚Zukunftsweine‘ mit dem Award 2023 im Bereich Innovation & Nachhaltigkeit des Magazins ‚Der Feinschmecker‘ ausgezeichnet. Im Gespräch mit KlimaDiskurs.NRW erklärt sie, welche Folgen der Klimawandel für den Weinbau hat, wie sie ihren Weinbau daran anpasst und was Klimaschutz und ‚Zukunftsweine‘ miteinander zu tun haben.
5 Fragen an… Eva Vollmer
Die Folgen des Klimawandels sind für alle spürbar. Inwiefern wirkt sich der Klimawandel auf den Weinbau aus?
Als WinzerInnen sind wir schon immer mit einem Ohr am Klima. Früher haben wir vor allem auf die mittlere Temperatursteigerung geschaut und die Frage gestellt, ob eine Rebsorte reif werden kann. Darauf müssen wir reagieren. Als Standardweißweinland haben wir inzwischen 60% rote Reben und auch die Rebsorten selbst ändern sich. Hinzu kommt, dass die Jahreszeitschwankungen immer extremer werden, wir z.B. immer längere Dürreperioden haben, in denen die Rebe im Sommer im Trockenen steht. Besonders junge, nicht tief verwurzelte Reben gehen dadurch kaputt. Zugleich gibt es übermäßig nasse Perioden, die es so vorher nicht gab, und gehäuft Hagel, Starkregen und Stürme, die teils zum Totalausfall führen. Die Reben stehen normalerweise 40 Jahre und lassen sich eben nicht von heute auf morgen ändern.
Wie passt ihr euch an die Klimafolgen an?
Einerseits arbeiten wir mit dem, was wir haben. Statt zum Beispiel in Zeilen anzubauen, kann man die Pflanzen anderes erziehen, so dass ihr Laub den Reben selbst ein Sonnendach bietet oder generell mehr Laub vor Sonne und Hagel schützt. Mehr Grün schützt den Boden und seine Qualität. Bewässerung hingegen ist mit hohen Kosten verbunden und man muss sich die Frage stellen, inwiefern man die wertvolle Ressource Wasser für ein eigentliches Luxusgut einsetzen kann. Bewässerungssysteme müssen auf jeden Fall effizient arbeiten und das Wasser in den Boden bringen, damit es nicht verdunstet. Die andere Möglichkeit ist die Umstellung auf andere Reben, auf Rotwein oder auf widerstandsfähigere Sorten, die zum Beispiel pilzresistent sind. Wir müssen allgemein die Pflanzen wieder zu mehr Eigenständigkeit erziehen und natürlicher arbeiten. Ich finde, oft braucht es keine technische Lösung. Wenn die Sonne scheint, brauchen wir kein künstliches Dach bauen, sondern können die Pflanze selbst arbeiten lassen.
Klimaanpassung ist das eine. Weinbau ist auch ein energieintensiver Sektor. Was kann der Sektor selbst im Klimaschutz tun?
Wie alle Unternehmen müssen wir auf Erneuerbare Energien umstellen. Ebenso müssen wir unsere Lieferkette unter die Lupe nehmen. Wenn man die betrachtet, dann sieht man das 46 % des CO2-Fußabdrucks die Flasche ist. Da darf es kein Tabu mehr sein, auf die große schwere Flasche zu verzichten. Stattdessen brauchen wir leichtere Flaschen. Von einem Pfandsystem sind wir noch weit entfernt, aber wir brauchen ein System für Weinflaschen. Bei einfacheren Qualitäten müssen wir auch mit Bag-in-Box-Systemen arbeiten, die aber mit einer entsprechenden Wertigkeit verbunden sein müssen. Natürlich gibt es auch andere Stellschrauben, wie bei Versand oder Logistik oder im Prozess. Ich muss zum Beispiel prüfen, wie viel ich im Gärprozess tatsächlich kühlen muss. Auch im Weinberg kann ich schon etwas tun. Durch kluges Bodenmanagement kann ich CO2 binden. Pilzresistentere Pflanzen ermöglichen weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und somit auch viel weniger Traktorfahrten.
Feinschmecker hat Zukunftsweine ausgezeichnet. Worum geht es dabei und was ist der Beitrag?
Bei ‚Zukunftsweine‘ konzentrieren wir uns auf die Pflanze, also auf die Rebsorte selbst. Deutsche WeintrinkerInnen sind absolut rebsortenfixiert. Die klassischen Rebsorten haben über lange Zeiträume ihr Image entwickelt. Als WeintrinkerIn taste ich mich über die „großen“ Rebsorten an das heran, was mir schmeckt. Zugleich lebt der Weinbau auch vom Kult der bekannten Sorten. Wie gesagt stehen wir aber vor der Herausforderung, dass diese Sorten wie z.B. Riesling und Burgunder weniger resistent sind. Die einzige Möglichkeit hier zu ernten wird durch Pflanzenschutz gegeben. Wir sind als Weinbau als Intensivkultur auf Platz 2 nach dem Apfelanbau, weil wir im Weinbau mit den gewohnten Rebsorten 8-15 mal pro Jahr gespritzt wird. Es gibt aber auch die Möglichkeit resistentere Pflanzen zu entwickeln, nicht durch Gentechnik sondern durch Züchtung. Zum Beispiel indem wir eine resistente amerikanische Wildrebe mit einer gut schmeckenden Kulturrebe vereinen. So entsteht eine resistentere Pflanze, bei der wir zwar nicht auf 0 kommen, aber 80% Pflanzenschutz einsparen können. Dadurch sparen wir nicht einfach nur Spritzvorgänge. Die Biodiversität wird geschützt, der Boden wird durch weniger Fahrten geschützt, der Wasserverbrauch sinkt. Auch die Energie bei der Produktion der Behandlungsmittel wird eingespart. Die erfolgreichen neuen Züchtungen haben aber dann das Problem, dass sie vollkommen unbekannt sind und dadurch auch die Kaufbereitschaft gering ist. Mit dem Überbegriff ‚Zukunftsweine‘ haben wir eine Dachmarke geschaffen, die für die neuen klimaangepassten und umweltschützenden Reben eine attraktive Vermarktungsmöglichkeit bietet. Mit der Marke klären wir über die Superman-Eigenschaften der Rebsorten auf und geben den Weinen ein Label, das für die WeintrinkerInnen erkenntlich und ansprechend ist. Ich trinke eine Zukunftswein und nicht einfach eine pilzwiderstandsfähige Rebe. Im Wording liegt die Musik. Das sorgt auch für mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit den Weinen bei WinzerInnen, Handel und VerbraucherIn.
Was kann ich denn generell als VerbraucherIn tun, auf was sollte ich generell achten, wenn ich Wein kaufe und über die Kaufentscheidung zum Klimaschutz beitragen möchte?
Mit den Zukunftsweinen haben wir ein Siegel über die Grenzen hinaus erarbeitet, das erkennbar ist. Auf den Flaschen stellen wir auch über einen QR-Code Informationen zur Verfügung. Daneben gibt es auch verschiedene andere Siegel, z. B. das EU-Biosiegel, Bioland oder ECOVIN, an denen man sich grundsätzlich orientieren kann. Ökologischer Weinbau wird stark kontrolliert. Natürlich kann ich auch, wenn ich direkt bei ErzeugerInnen kaufe, sehen, ob vor Ort nachhaltig und verantwortlich gearbeitet wird. Und wenn ich vor Ort oder lokal kaufe, spare ich auch CO2. Aber zur Wahrheit gehört, dass ein Wein, der aus einem Weingut mit gewollt geringem Ertrag stammt, der liebevoll im kleinen Fass ausgebaut wird, einen höheren CO2-Fußabdruck hat, als ein Wein aus quasi industriellem Anbau, der in 10.000-Liter-Tanks reift, die sich zudem auch mit viel weniger Wassereinsatz reinigen lassen.