Klimadiskurs.NRW

Insekten retten – Artenschwund stoppen


Ilona Steffen ist Referentin für Natur und Umwelt beim Nabu NRW und setzt sich mit der Volksinitiative Artenvielfalt NRW für mehr Artenschutz ein.

von Ilona Steffen

Im Februar 2019 standen in Bayern tausende Menschen in Schlangen vor den Rathäusern, um für das Volksbegehren Artenvielfalt „Rettet die Bienen“ zu unterschreiben. Das Ergebnis war überragend: 18,4% der Wahlberechtigten gaben ihre Unterschrift für den Gesetzentwurf des Aktionsbündnisses ab – das erfolgreichste Volksbegehren Bayerns.

Und mittlerweile ist es auch in NRW mit einer Volksinitiative soweit: unter dem Titel „Insekten retten – Artenschwund stoppen“ können Bürger*innen seit Juli 2020 der Artenvielfalt in NRW eine Stimme verleihen. Um die Forderungen des Bündnisses der drei Naturschutzverbände NABU, BUND und LNU NRW in den Landtag zu bringen, benötigen wir nun Unterschriften von 0,5% der Stimmberechtigten (ca. 66.000) in NRW.

Unterstützen auch Sie die Artenvielfalt in NRW mit Ihrer Unterschrift:

Mehr Informationen zu unseren Forderungen und der Unterschriftenbogen zum Download (2-seitig ausdrucken) oder bestellen unter: www.artenvielfalt-nrw.de

Immer weniger Arten und natürliche Lebensräume

Der Insektenschwund in Deutschland ist für Expert*innen schon seit vielen Jahren ein Thema, da diese auf Schmetterling-Kartierungen oder Heuschrecken-Exkursionen beispielsweise die Veränderungen der Natur direkt miterlebten. In die Öffentlichkeit vorgedrungen ist das Thema mit der Studie der Krefelder Entomologen 2017, in der ein dramatischer Rückgang an Insekten in Deutschland über 27 Jahre gezeigt wurde („More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas“ von Hallmann et al., 2017 www.doi.org/10.1371/journal.pone.0185809). Und der Verlust an 75% Insektenbiomasse fand nicht irgendwo statt, sondern in Schutzgebieten, bei denen man davon ausgeht, dass die Natur dort noch intakt sein sollte. Dies ist jedoch häufig nicht der Fall, was nicht nur am Beispiel von Insekten deutlich wird.

Ein Schutzgebiet, das Natur und bestimmte Arten schützen soll, kann von einigen Faktoren negativ beeinflusst werden: So ist zum Beispiel bei einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung innerhalb der Schutzgebietsgrenzen der Pestizid-Einsatz erlaubt. Viele Naturschutzgebiete liegen als Inseln zwischen Straßen, Gebäude und intensiv-genutzten Land- und Forstwirtschaftlichen Flächen. Dadurch sind Wege zwischen artenreichen Naturräumen abgeschnitten und genetischer Austausch kann immer weniger stattfinden. Auch Naturstrukturen am Rande von Äckern, Wäldern und bebauten Flächen wurden in den letzten Jahrzehnten immer weniger – Felder und Wälder wurden größer und monotoner bewirtschaftet, Gewerbeflächen größer und versiegelter und Vorgärten verschottert. Deshalb fordern wir in der Volksinitiative als eines der acht Handlungsfelder: Schutzgebiete wirksam schützen!

Klima- und Artenkrise gemeinsam angehen

Und wenn blühende Pflanzen, artenreiche Böschungen, Waldränder oder naturgemäße Gewässer immer weniger werden, wundert es nicht, dass die Anzahl an Insekten und die gesamte Artenvielfalt schwindet. Dies haben auch die Berichte des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) 2019 (www.de-ipbes.de/de/Globales-IPBES-Assessment-zu-Biodiversitat-und-Okosystemleistungen-1934.html) und 2020 (www.de-ipbes.de/de/Die-Lage-der-biologischen-Vielfalt-5-Globaler-Ausblick-GBO-5-2067.html) noch einmal auf den Punkt gebracht: Das Artensterben schreitet beschleunigt voran und hat gravierende Auswirkungen auf uns Menschen. Wenn wir jetzt nichts ändern, verlieren wir unsere Lebensgrundlagen durch Klima- und Artenkrise Stück für Stück.

(Studie zur Relevanz von Biodiversität und den Auswirkungen und Chancen wirtschaftlicher Aktivitäten, Boston Consulting Group, NABU und BirdLife 2020: www.nabu.de/news/2020/09/28696.html?utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=200924+NABU-News=)

Auch wenn es glücklicherweise viele Menschen gibt, die sich lokal um einzelne Arten, Schutzgebietsflächen, Ackerrandstrukturen, Naturgärten und Weiteres kümmern und damit Biodiversitäts-Spots schaffen, benötigt es mehr, um dem Artenschwund wirksam zu begegnen. Da Leitlinien für besseren Naturschutz durch die Landesregierungen jedoch auf sich warten lassen, starteten nach Bayern auch Brandenburg, Baden-Württemberg, Niedersachsen und wir in NRW Volksinitiativen und -begehren für die Artenvielfalt.

Die gesellschaftliche Relevanz der Themen Artensterben und Insektenschwund und der Frust über Regierungen, die bisher zu wenig umgesetzt haben, um diesen Herausforderungen zu begegnen, sind Gründe für den Erfolg der bisherigen direktdemokratischen Initiativen und sind auch in NRW unsere Chance für mehr Artenvielfalt. Deshalb haben sich die drei Naturschutzverbände, nach Corona-bedingt verschobenem Start im Frühjahr, am 23. Juli mit dem Startschuss der Volksinitiative an die Menschen in NRW gewendet und sammeln über die nächsten Monate in einem breiten Bündnis Unterschriften.

Über die ersten Wochen sind nun schon kiloweise Unterschriftenlisten in unserem Kampagnenbüro eingetroffen und wir freuen uns über viele weitere in der täglichen Post, mit denen wir ein klares Signal für die Artenvielfalt an die Landesregierung senden können.