Klimadiskurs.NRW

Wasserstoff: Grüne Energie für eine klimaneutrale Industrie?


am 12.05.20 von Samir Khayat gepostet
© In4climate.NRW

Die Welt muss grüner werden, Europa dabei voran gehen. Mit dem „European Green Deal“ hat die EU-Kommission ambitionierte und wichtige Klimaziele festgelegt: eine Reduktion der CO2-Emissionen um bis zu 55 Prozent bis 2030 und Klimaneutralität bis 2050. Insbesondere der Industrie schreibt die EU im „Green Deal“ eine Schlüsselrolle für den Klimaschutz zu. Eine große Herausforderung und gleichermaßen Ansporn, Lösungen zu finden.

In NRW bildet die Landesinitiative IN4climate.NRW seit 2019 die zentrale Plattform, auf der Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam am Ziel einer klimaneutralen Industrie arbeiten. Um innovative Strategien und Lösungen zu entwickeln, zeigt die Initiative zentrale Forschungsbedarfe auf, diskutiert bestehende und zukünftige Technologieoptionen und begleitet technische Projekte zur Erprobung klimaneutraler Produktionsverfahren.

Ein Hoffnungsträger: Wasserstoff. Nationale und globale Szenarien zeigen, dass CO2-frei erzeugter Wasserstoff (H2) eine entscheidende Rolle für eine klimaneutrale Produktion z. B. in der Chemie- und Stahlindustrie spielt. Ob Industrie, Verkehr und Mobilität – Wasserstoff kann fossile Energieträger ersetzen und einen wesentlichen Beitrag zur Sektorenkopplung leisten.

NRW als Vorreiter: Kernland der Wasserstoffwirtschaft
NRW bietet als bedeutendster Industriestandort Europas ideale Ausgangsbedingungen, um eine deutschland- und europaweite Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen. Gründe dafür sind nicht nur die hohe Industriedichte und eine leistungsfähige Infrastruktur, sondern auch enge grenzübergreifende Kooperationen mit Partnerländern. Ein dichtes Gasnetz, das zukünftig für den Wasserstofftransport umgestellt werden könnte, erreicht jetzt schon viele der potenziellen H2-Großverbraucher in der Region; Große Wasserstraßen wie der Rhein können weitere Nutzer über Binnenschiffstransporte mit Wasserstoff versorgen. Im Bereich der für die Herstellung von Wasserstoff erforderlichen Elektrolyseanlagen und Technologien ist NRW bereits gut aufgestellt. Laut einer Studie von Frontier Economics und dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) war Deutschland im Jahr 2018 der weltweit größte Exporteur von Elektrolyseanlagen und gehört zu den Weltmarktführern für Wasserstofftechnologien. Viele der Anbieter haben wichtige Standorte in NRW, die zusammen mit der exzellenten Forschungslandschaft große Chancen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in NRW und Deutschland bieten.

Prognose: Steigender Wasserstoffbedarf
Schon heute ist in NRW der Wasserstoffbedarf groß. Um die regionale Industrie im Sinne des Klimaschutzes zu transformieren, sind wichtige Projekte bereits angelaufen. Sie zeigen, dass der Bedarf in den nächsten Jahren noch um ein Vielfaches steigen wird:

  • Die Stahlindustrie wird auf Wasserstoffdirektreduktion setzen.
  • Raffineriestandorte werden den aktuell durch grauen Wasserstoff aus Erdgas gedeckten Wasserstoffbedarf durch klimaneutral produzierten grünen Wasserstoff ersetzen und mit Wasserstoff synthetische Kraftstoffe entwickeln.
  • Glas-, Ziegel- und metallverarbeitende Industrie werden ihren hohen Prozesswärmebedarf zum Teil durch Wasserstoff decken.
  • Die Chemieindustrie wird klimaneutral produzierten Wasserstoff in Kombination mit Kohlenstoff aus unvermeidbaren industriellen CO2-Quellen zu neuen Produkten umwandeln.

Der Wasserstoffbedarf NRWs wird nach Schätzungen des Wuppertal Instituts zukünftig fast 40 Prozent des gesamtdeutschen Bedarfs ausmachen. Im von IN4climate.NRW Ende 2019 veröffentlichten Diskussionspapier zum Thema wird dieser gesamtdeutsche Bedarf im Jahr 2050 auf über 600 Terawattstunden (Heizwert) geschätzt.

Herausforderung: Energietransformation für grünen Wasserstoff

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Um diesen Bedarf vollständig durch grünen Wasserstoff zu decken, werden allein für die Elektrolyse fast 1.000 Terawattstunden Strom aus Erneuerbaren Energien benötigt – abgeschätzt mit Blick auf typische Elektrolysewirkungsgrade. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 wurden laut Umweltbundesamt in ganz Deutschland 244 Terawattstunden Strom aus Erneuerbaren Energien produziert. Um den zukünftig erwarteten hohen Wasserstoffbedarf zu decken, müssen Erneuerbare Energien stark ausgebaut und zusätzliche Importstrukturen für Wasserstoff geschaffen werden. Klar ist, der Aufbau der Erzeugungsstrukturen für vollständig grünen Wasserstoff braucht noch viel Zeit – die wir eigentlich nicht haben. Blauer Wasserstoff kann daher eine Zwischenlösung sein, um den für den schnellen Einstieg in die klimaneutrale Produktion dringend benötigten Wasserstoff bereitzustellen.

Technologien stehen bereit: Politik muss jetzt handeln, Industrie jetzt investieren
In der Industrie werden in den nächsten Jahren große Anlagen-Investitionen notwendig, die zum Teil bis deutlich über 2050 hinaus betrieben werden. Diese Investitionen werden absehbar nicht mehr in konventionelle Technologien erfolgen. Um den Industriestandort NRW zu erhalten, müssen wir deshalb jetzt und nicht morgen die richtigen Weichen stellen. Daran arbeiten wir. Die Technologien stehen bereit. Packen wir es an.

Links: Die Initiative IN4climate.NRW im Video, Diskussionspapier Wasserstoff, www.in4climate.nrw

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