Klimadiskurs.NRW

Blauer Himmel über der Ruhr – wer zahlt den Preis dafür?


am 07.01.20 von Vera Dwors gepostet

Am 21. Dezember 2018 hieß es ganz offiziell „Schicht im Schacht!“. Auf der Zeche Prosper Haniel in Bottrop wurde das letzte „Schwarze Gold“ nach über Tage gefördert und damit endete ein wichtiges Kapitel in der Geschichte Nordrhein Westfalens. Selten hat ein Wirtschaftszweig Land und Leute so geprägt und eine Region in der Welt bekannt gemacht, wie der Steinkohleabbau an der Ruhr.

Der Abschied von der Kohle wurde groß gefeiert und von den Medien und der breiten Öffentlichkeit begleitet. Noch immer erinnern die Leuchttürme der Industriekultur – also die ehemaligen Zechengebäude und Fördergerüste – an die Vergangenheit des Ruhrgebiets. Viel zu selten wird jedoch die Frage gestellt, was die Steinkohle in Deutschland ersetzt? Woher kommt ab jetzt der Rohstoff für die Energieerzeugung und für die Bedarfe der Industrie? Strom wird weiterhin aus Kohle gewonnen und Stahl mit Hilfe des fossilen Energieträgers produziert.

Gewonnen wird das „Schwarze Gold“ jetzt in anderen Teilen der Welt – in Kolumbien, Russland, der Türkei und Südafrika. Oftmals wird in diesen Ländern unter wesentlich schlechteren Bedingungen gefördert und auch die Lebensumstände der Menschen in den Abbaugebieten sind kaum mit den Verhältnissen hier vor Ort zu vergleichen.

Grauer Himmel über dem Land der aufgehenden Sonne
Der Krüger National Park ist sicher das touristische Highlight in der südafrikanischen Provinz Mpumamlanga – in der Landessprache Zulu bedeutet das Wort „Land der aufgehenden Sonne“. Doch wenn Reisende sich von Johannesburg auf den Weg Richtung Osten machen, werden sie erstaunt sein, dass sie sich an vielen Stellen an die Vergangenheit im Ruhrrevier erinnert fühlen. Die Silhouetten riesiger Kraftwerksanlagen tauchen am Horizont auf, ein graugelber Schleier verfärbt den Himmel und schwarze Bergehalden kommen der vierspurigen Straße immer näher.

Mpumalanga ist die eigentliche Kornkammer des Landes und genau hier finden sich die meisten Kohlelagerstätten. In den eher ländlich geprägten Regionen konnten die Menschen bisher von Landwirtschaft und Viehzucht leben – nun werden sie zu Gunsten der Bergbauunternehmen für den Tagebau vertrieben und ihre Lebensgrundlage zerstört, traditionelle Gesetze und Vereinbarungen werden außer Kraft gesetzt. Nur in den seltensten Fällen wird fruchtbares neues Land zur Verfügung gestellt oder Kompensationszahlungen geleistet. Außerdem schaffen die Bergwerke nicht genug neue Arbeitsplätze, um der verbleibenden Bevölkerung ausreichend Einkommensquellen zu bieten.

Die Bedingungen, unter denen Männer und Frauen in den Minen arbeiten, sind lebensgefährlich, menschenunwürdig und zudem schlecht bezahlt. Die Arbeiter*innen können ohne Rücksicht entlassen werden, da sie zunehmend über Leiharbeitsfirmen angestellt sind und so ihre Rechte noch weniger geschützt sind. Erkranken sie auf Grund der Arbeitsbedingungen, sind ihre Aussichten auf Entschädigung gleich null. Die Bergleute und ihre Familien leben in der Regel nahe – oftmals viel zu nah – bei den Minen in informellen Siedlungen, das bedeutet Wellblechhütten, unbefestigte Straßen, kein Zugang zu einer regelmäßigen Energie- und Wasserversorgung. Wobei die fehlende Stromversorgung fast schon absurd scheint, liegt doch eine Energiequelle wie die Kohle nur wenige Meter von den Dörfern entfernt. Organisationen und Initiativen, die auf diese Missstände aufmerksam machen wollen oder gar gegen die unfairen Praktiken der Unternehmen und Konzerne vorgehen, leben in der ständigen Sorge, dass sie für ihre Aktivitäten angegriffen oder gar ermordet werden.

…. und was hat das mit uns zu tun?
Südafrika steht an Nummer sieben der weltgrößten kohleproduzierenden Länder. Neben Gold und Platin gehört Steinkohle zu den wirtschaftlich bedeutendsten Bodenschätzen. In 18 riesigen Kohlefeldern lagert der Rohstoff, teilweise nur 15 Zentimeter bis zu einem Meter tief unter der Erde. 84 % der Erträge fließen in die Hände multinationaler Konzerne, nur der kleine Rest von 16% verbleibt bei südafrikanischen Unternehmen – davon werden über 90 Prozent des Energiebedarfs des Landes gedeckt. 30 Jahre könnte es bei gleichbleibender Förderung so weitergehen – doch was bedeutet das für Südafrika?

„Bergbau in Südafrika ist ein äußerst komplexer und vielschichtiger Bereich, der das Leben der Menschen vor Ort stark beeinflusst.“ Dr. Claude Kabemba – Leiter der südafrikanischen NGO Southern Africa Resource Watch – antwortet ohne Zögern auf diese Frage. Er setzt sich unter anderem für das Menschenrecht auf Wasser ein: „Saure Grubenwässer und Wasserknappheit in den Revieren Südafrikas, die auch Steinkohle nach Deutschland exportieren, sind ein riesiges Problem. Das Knowhow, das im Ruhrgebiet mit den Folgen des Kohleabbaus gesammelt wurde, ist für Südafrika sehr wertvoll.“

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