Klimadiskurs.NRW

Die Akteure haben verstanden – die Politik noch nicht.


am 25.02.21 von Ingo Wagner gepostet

Die Energiewende ist von einer Vision zu einer Frage des Fortbestandes sowohl der Menschheit insgesamt als auch des wirtschaftlichen Überlebens vieler Unternehmen geworden. Die Wirtschaftlichkeit erneuerbarer Energien ist erreicht, zunächst zumindest für die Eigenbedarfsdeckung. Der Ausstieg aus den Subventionen ist absehbar. Der Eintritt in die dritte Phase der Energiewende – nach der Markteinführung und der Marktdurchdringung nunmehr die Marktdominanz – steht bevor. Aber nicht nur bei den Erneuer-baren sinken beständig die Kosten – auch die Rohstoffpreise für fossile Brennstoffe sinken tendenziell weiter.

Ein Beitrag von Gunnar Harms

Das Problembewußtsein schärft den Blick

Mit im Gegenzug absehbar stetig steigenden CO2-Bepreisungen auf internationaler und nationaler Ebene und immer strengeren Klimagesetzen haben die einstigen Gewinnbringer und Geldmaschinen ein Problem: Sie werden zu regelrechten Risikoanleihen. Vom nationalen Champion zum Pennystock – sofern sie sich nicht schnell genug von ihren bisherigen Geschäftsmodellen verabschieden.

Die Zeit mit weiter fallenden Preisen arbeitet gegen sie – und sie wird immer knapper.

Und noch ein wichtiger Umstand gibt den erneuerbaren Energien jetzt starken Aufschwung:

In den vergangenen, corona-geprägten Monaten waren es gerade die nachhaltigen und besonders innovativen Unternehmen, die sich als besonders krisenfest herausgestellt haben.

Unternehmen wie der Wechselrichter-Hersteller SMA Solar aus Kassel und auch andere beispielsweise haben ihren Börsenwert in dieser Zeit verdoppelt oder erheblich gesteigert.

Mit einer bisher nie dagewesenen Geschwindigkeit wächst nunmehr der Druck von Gesellschaft, Politik und Investoren.

Die Zukunft hat bereits begonnen – Politik und Regulierung schlafen noch

Bei Konzernen wie RWE, Uniper und Shell etc. ist nicht das grüne Gewissen oder die Sorge um die Enkel und Urenkel erwacht, es geht nicht nur um die Zukunft – sondern bereits die Gegenwart: Um das wirtschaftliche Überleben im hier und jetzt.

Die Energie- und Klimapolitik sollte dieser Entwicklung nicht – wie leider so häufig – nur hinterherlaufen, sondern sie aktiv begleiten und unterstützen.

Dazu gehört an allererster Stelle, sich nicht länger von den Bremsern aufhalten zu lassen und zumindest das, was Europa dazu schon geregelt hat, endlich auch umzusetzen, insbe-sondere die Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (2009/28/EG; „RED II“).

Nicht Deutschland – Europa geht vorweg

Allein schon, um sich nicht wieder in einem Vertragsverletzungsverfahren wiederzufinden, wenn die Umsetzungsfrist Mitte dieses Jahres abläuft. Denn bis dahin ist noch jede Menge zu tun.

Zum Beispiel endlich die regulatorische Behinderung Erneuerbarer-Energien-Gemeinschaften zu beenden. Oder die Abschaffung der sogar mutmaßlich grundrechtswidrigen EEG-Umlage für den Eigenverbrauch – ein besonders fragwürdiges Husarenstück der Politik. Die oft ins Feld geführte Entsolidarisierungsdebatte hat sich längst als Scheindebatte erwiesen, es liegen seit langem sinnvolle Lösungsvorschläge auf dem Tisch. Lesen hilft.

Gleiches gilt für die Behinderung von Speichern. Die Frage, warum deren Einsatz als Letztverbrauch behandelt und durch die damit verbundene Doppelbelastung mit Abgaben und Umlagen nachhaltig unwirtschaftlich bleibt, kann die Bundesnetzagentur mit keinem einzigen vernünftigen Sachargument beantworten.

Insbesondere die Speicherung in großtechnischem Maßstab würde das Ende von Kohle und Gas ganz gewaltig beschleunigen. Da gibt es große Widerstände.

Wir stehen noch im Stau

Es gilt, den Stau (Steuern, Abgaben und Umlagen) aufzulösen, die Komplexität zu reduzieren und die Wege für innovative Konzepte freizumachen – und nicht mit Regulierungsdickicht weiter zu verstopfen.

Aber das ist lange noch nicht alles.

Planungssicherheit und Anreizsetzung statt überholter Regelungen

Bestehende, rechtlich fragwürdige und mittlerweile unverhältnismäßige Regelungen, die sich als Innovationsbremsen erweisen, müssen angepaßt werden:

Die Besondere Ausgleichsregelung im EEG, die eine Regelung zu Lasten Dritter und mittlerweile eine Wettbewerbsverzerrung darstellt, muss darüber hinaus auch auf eine rechtssichere Finanzierungsbasis aus dem Staatshaushalt umgestellt werden.

Die Unternehmen brauchen Planungssicherheit – und Anreize. An Beidem fehlt es.

Fehlsteuerungen gibt es noch viel zu viele. Die Politik wird demnächst die Frage zu beantworten haben, weshalb Unternehmen am Ende ihres Lebenszyklus noch Milliarden hinterhergeworfen werden, die für die Zukunftssicherung – und Klimaschutz – sicher besser investiert wären.

Unternehmer als Wegweiser

Immer mehr Unternehmen verstehen das, investieren in eine CO2-freie Zukunft – und weisen der Politik damit den Weg.

Im Gegensatz zu Corona gibt es gegen den Klimawandel keinen Impfstoff – aber technische und wirtschaftliche Lösungen, denen die Politik nicht im Weg stehen sollte.

Der Autor ist Vorstandsmitglied im Bündnis Bürgerenergie e.V. (www.buendnis-buergerenergie.de) und auch im Vorstand der Bergischen Bürgerenergiegenossenschaft eG in Wuppertal (www.bbeg.de). Er bringt seine Fachexpertise aus mehr als 30 Jahren industrieller Energiewirtschaft nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben in die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle bei nachhaltig orientierten Unternehmen und einer Vielzahl von Organisationen ein.

Kommentare sind geschlossen.