Klimadiskurs.NRW

#Rezension: Vier für´s Klima


am 06.08.18 von Luzie Cames gepostet

Klimaschutz gemeinsam gestalten, etwa mit der Familie. (Foto: Andreas Klinke Johannsen_Flickr)

Das im März bei Droemer erschienene Buch „Vier fürs Klima“ von ZEIT-Redakteurin Petra Pinzler und ihrem Mann Günther Wessel (303 Seiten) fragt, wie Klimaschutz im Alltag gelingen kann. Das familiäre Klimaschutzprogramm der Familie Pinzler/Wessel begann, als die damals zwölfjährige Tochter mit der Aufgabe nach Hause kam, per WWF-Umweltrechner den häuslichen CO2-Verbrauch zu ermitteln. Zwar lag die Familie mit 10,5 t pro Person (wenn auch nur knapp) unter dem bundesdeutschen Jahresdurchschnitt (11 t), war aber von diesem Ergebnis einigermaßen geschockt: Sie hatte angenommen, dass ihre familiäre Ökobilanz weitaus besser ausfallen würde, denn umweltbewusstes Verhalten – z.B. Biolebensmittel, Mülltrennung, Plastikvermeidung, ÖPNV etc. – gehörte schon zu ihrem Alltag.

Mit dem „Erwachen“ kam der Wunsch der gesamten Familie, es besser zu machen und den häuslichen CO2-Verbrauch zu senken. Dazu wurde am Familientisch beraten und diskutiert, sodann ein Jahresplan und Themenbereiche erarbeitet und dazu – manchmal nahezu wissenschaftlich – recherchiert. Manches, was wir in dem aus flotter Journalistenfeder geschriebenen Buch lesen, ist nicht neu: Es dürfte sich herumgesprochen haben, dass sowohl der Flug- als auch der Straßenverkehr einen riesigen CO2-Ausstoß verursacht – und daher nach Möglichkeit besser andere Verkehrsmittel benutzt werden sollten. Oder auch, wie sehr unser enormer Fleischkonsum für viele Tonnen CO2-Emissionen verantwortlich ist. Aber die Art und Weise, wie die Familie von ihrem Ringen, ihren Erfolgen, aber auch Misserfolgen beim Projekt „CO2-sparsames Leben“ berichtet, ist erfrischend, mutmachend und angenehm ehrlich, dabei nie mit dem erhobenen Zeigefinger oder moralinsauer. Im Gegenteil: Die Vier wollten herausfinden, wie eine normale Familie es schaffen kann, so CO2-sparsam wie möglich zu leben, ohne dabei auf ein gutes Leben verzichten zu müssen. Und zwar so, dass es auch andere nachahmen können.

Wir begleiten die vierköpfige Familie von Januar bis Dezember durch ein ganzes Jahr mit bspw. Kapiteln wie „Äpfel, rülpsende Kühe und Vegetarier“ (Februar) oder „Wasser, Wein und die Moral beim Einkaufen“ (Juni) und können lesen/lernen, wann welcher Apfel im Jahreslauf am wenigsten CO2 verursacht, oder dass der Transport von Mineralwasserflaschen wiederum für jede Menge CO2 verantwortlich ist, die durch das Trinken von in Deutschland bestens kontrolliertem Leitungswasser vermieden werden könnten. Und auch, dass wir die CO2-Bilanz jedes erworbenen Lebensmittels günstig beeinflussen können, wenn wir es nicht mit dem Auto, sondern klimafreundlich nach Hause befördern – zu Fuß, mit dem Fahrrad oder per ÖPNV.

Aber nicht nur praktische Fragen wie das effektive Stromsparen, die klimaschonende Ernährung oder der vernünftige und maßvolle Kleiderkauf werden mitunter bis ins Details recherchiert und erklärt, auch der große Zusammenhang wird in den Blick genommen: die schwierige Frage nach der (globalen) Verantwortung – am Beispiel des Kaufes einer (eingeflogenen) Mango – , so dass man durch die Lektüre des Buches angeregt wird, über das eigene Verhalten nachzudenken und es (Schritt für Schritt) zu verändern. Dazu fordert das Autorenpaar geradezu auf: Sich auch politisch zu engagieren und nicht nur über „die Politik“ und ihre Fehler zu schimpfen, sondern die Missstände zu benennen, öffentlich zu machen und sich für Veränderungen einzusetzen. Nachdem die Familie z.B. ein Jahr lang nicht geflogen ist und ihr Auto für kurze Strecken weitestgehend hat stehen lassen, stellt sie sich nun beim Thema Verkehr die Frage, warum die klimaschädlichste Art der Fortbewegung, das Fliegen, staatlicherseits am meisten gefördert wird, da Fluggesellschaften keine Steuern auf Kerosin zahlen – oder warum das Dienstwagenprivileg größere Autos stärker begünstigt. Eine derartige Verkehrspolitik macht es fast unmöglich, den Autoverkehr zu reduzieren. Die Politik sollte daher allgemein umweltschädliches Verhalten höher und umweltfreundliches niedriger besteuern.

Abschließend resümiert die Familie: „Das Wichtige richtig zu machen und vom Unwichtigen zu unterscheiden: Das kann im Alltag manchmal schiefgehen. Aber unerträglich schwierig ist es am Ende dann doch nicht. Das haben wir in diesem Jahr ganz sicher gelernt: Klimaschutz ist keine Geheimwissenschaft, an der man verzweifeln muss.“ (S. 269) Aber ehrlicherweise verschweigt sie auch nicht, dass Klimaschutz zwar theoretisch leicht ist, aber praktisch immer wieder geübt werden muss, bis neue Verhaltensweisen zur guten Gewohnheit werden und einem ökologisches Verhalten ganz normal vorkommt. Und dass der Verzicht, der eben auch manchmal nötig ist, einen mit einem guten Gewissen belohnt.

Es ist erhellend und macht Spaß, den Selbstversuch eines CO2-neutralen Lebens zu lesen – und wer zu bestimmten Themen noch weitere Auskünfte möchte, wird am Ende des, übrigens mit dem „Blauen Engel“ ausgezeichneten Buches, noch mit einem umfangreichen Anhang versorgt, der etliche Literatur- und sonstige interessante Hinweise sowie ein Sachregister enthält. Bleibt nur, dem Buch viele LeserInnen zu wünschen, die nach der Lektüre ihr Leben klimafreundlich gestalten!

Infos zum Buch:

Vier fürs Klima
Wie unsere Familie versucht, CO2-neutral zu leben
von Petra Pinzler (Autorin)
und Günther Wessel (Autor)
Broschiert: 304 Seiten, Verlag: Droemer HC (1. März 2018), ISBN-13: 978-3426277324, Broschiert EUR 18,00

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