Klimadiskurs.NRW

Klimafolgenanpassung im Ruhrgebiet


am 23.11.21 von Uli Paetzel gepostet

Das Ruhrgebiet vollzieht weiter den Strukturwandel. Nun drängt auch bei Klimaschutz und Klimaanpassung die Zeit. Statt weiterer Pilotprojekte braucht die Region breite und flächendeckende Umsetzung wirksamer Maßnahmen. Besonders die Klimafolgenanpassung wird bislang noch nicht ausreichend berücksichtigt.

Die Folgen des Klimawandels manifestieren sich auch in unseren Breiten zunehmend spürbar in häufigeren Hitzetagen und längeren Trockenperioden einerseits und einer steigenden Zahl von Starkregenereignissen und Überschwemmungen andererseits. Das Starkregenereignis Mitte Juli hat uns diese Gefahr auf dramatische Weise wieder ins Gedächtnis gerufen. Bund und Länder stellen zum Wiederaufbau rund 30 Mrd. Euro zur Verfügung, die tatsächlichen Sachschäden werden allerdings wohl ein Vielfaches betragen.

Es gilt nun, aus diesen Katastrophen und den aus den Klimamodellen ablesbaren Vorhersagen die richtigen Lehren zu ziehen und konsequent in die Klimafolgenanpassung in den Städten zu investieren. Dazu bietet die Siedlungswasserwirtschaft zahlreiche Instrumente an und hat in einer großen Zahl von Leitfäden, technischen Regelwerken, Best-Practice-Beispielen und Forschungsprojekten alle nötigen theoretischen Grundlagen geschaffen. Gleichzeitig haben auch die Gesetzgeber ihren Willen mit einer Reihe von Strategiekonzepten und Legislativpaketen zum Ausdruck gebracht, zum Beispiel in der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel, in der Nationalen Wasserstrategie oder im Klimaanpassungsgesetz NRW.

Akteure vor Ort müssen sich vernetzen

Doch wenn es also an Konzepten und konkreten Lösungsinstrumenten nicht mangelt, wie kommt es dann dazu, dass diese häufig bei Bauvorhaben in den einzelnen Kommunen nicht zum Einsatz kommen? Wie kann es sein, dass – wie jüngst bekannt wurde – im Ahrtal bis auf sehr wenige Ausnahme alle Häuser wieder an der gleichen Stelle aufgebaut werden sollen und kaum Lehren aus der Flutkatastrophe gezogen werden? Neben klaren Förderstrukturen und entsprechender Finanzmittel, die selbstverständlich Grundvoraussetzungen für die Durchführung von Bauprojekten sind, liegt einer der wesentlichen Gründe in der vielfach mangelnden Vernetzung der wesentlichen Akteure vor Ort. Gleichzeitig machen die Folgen des Klimawandels natürlich nicht an den Stadtgrenzen Halt. Hochwasserschutz und Anpassungsmaßnahmen müssen daher für komplette Einzugsgebiete von Gewässern geplant und koordiniert werden.

Dies gilt insbesondere in polyzentrischen Metropolregionen wie dem Ruhrgebiet, in dem viele kommunale Entscheidungen gebündelt und miteinander in Einklang gebracht werden müssen. Zusätzlich leben in der Metropolregion Ruhr auf rd. 7.000 km² etwa die Hälfte der rund 18 Mio. Einwohner Nordrhein-Westfalens. Damit ist sie die mit Abstand bevölkerungsreichste und am dichtesten besiedelte Metropolregion in Deutschland; die Bevölkerungsdichte in der Kernregion ist mit rd. 2.200 EW/km² mehr als viermal so hoch wie im Landesdurchschnitt (525 EW/km²). Auch treffen hier die Herausforderungen der Anpassung an den Klimawandel auf die des seit den 1970er Jahren ablaufenden Strukturwandels mit allen seinen zugehörigen Veränderungen in den Lebensbedingungen der Menschen. So erwächst der Region ein besonderer Handlungsdruck und der Wunsch zu einer Gründung eines belastbaren Arbeitsnetzwerks, das eine nachhaltige und wassersensible Stadtentwicklung im Revier vorantreibt.

Governance für Klimaanpassung: starke kommunal getragene Netzwerke

Die Zukunftsinitiative „Wasser in der Stadt von morgen“ wurde 2014 von der Emschergenossenschaft gemeinsam mit den Emscher-Kommunen und dem NRW-Umweltministerium ins Leben gerufen, um unter anderem Themen wie Siedlungswasserwirtschaft, Stadtentwicklung, Städtebau, Freiraumplanung, Klimaanpassung und Straßenbau enger zusammenzuführen und zu verknüpfen. Verschiedene Bottom-up-getragene Experten-Netzwerke bearbeiten als zentral identifizierte Themenbereiche und Umsetzungshürden. Diese Experten-Netzwerke präsentieren ihre Arbeitsergebnisse auf regelmäßig stattfindenden Foren und bündeln diese Themen dort. Treffen von Stadtkoordinatoren und den jeweils zuständigen Dezernenten flankieren diese inhaltliche Arbeit.

Im Rahmen der Ruhrkonferenz wurde dieses Netzwerk unter dem Titel „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft“ erweitert und mit zusätzlichen Finanzmitteln ausgestattet. Insgesamt rund 250 Mio. Euro stehen bis 2030 für Klimaanpassungsprojekte bereit. Die Emschergenossenschaft hat für die Projektumsetzung eine Service-Organisation eingerichtet, auf die die Kommunen zurückgreifen können und die das weitere Wachstum des Netzwerks betreut.

Keine Pilotprojekte mehr – auf die breite Umsetzung kommt es an!

Vor dem Hintergrund der Klimakrise kann im Bereich Klimaschutz und Klimaanpassung keine Zeit mehr verloren werden. Die noch immer häufig beobachtbare Praxis, vornehmlich in Pilotprojekten zu denken – selbst wenn die eingesetzte Technik oder die genutzten Instrumente und Konzepte schon lange bekannt sind – ist dringend aufzugeben. Stattdessen brauchen wir breite Umsetzungsinitiativen und Governance-Modelle, die diese in die Kommunen, zu den Unternehmen und in die Privathaushalte tragen.

Klimafolgenanpassung muss in den kommenden Jahren als gleichberechtigtes Thema neben der CO2-Reduktion im Klimabereich etabliert werden und es müssen stabile Finanzierungsmodelle erarbeitet werden, die der Größe der Aufgabe angemessen sind. Wir wissen schon jetzt, dass sich das Klima in Deutschland ändern wird. Die Anpassung daran muss jetzt beginnen.

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