Klimadiskurs.NRW

Hochwasser und Klimaanpassung


am 16.11.21 von Monika Hachtel gepostet

Die Hochwasserkatastrophe im Sommer war fatal – für die Menschen in den betroffenen Regionen und ebenso für die Umwelt. Jetzt kommt es darauf an, den Wiederaufbau im Sinne nachhaltiger Entwicklung zu gestalten.

Ein Beitrag von Monika Hachtel

Es ist eigentlich unvorstellbar, wie die Natur uns am 14. Juli gezeigt hat, wozu sie fähig ist: Innerhalb von Stunden haben selbst kleine Bäche ganze Häuser mitgerissen, Flüsse unsere Infastruktur zerstört und damit wohlhabende Regionen kollabieren lassen. Menschen und Tiere sind gestorben, auch etliche Wildtiere, Lebensräume wurden zerstört.

Natürlich stehen der Verlust und das Leid von Menschen erstmal im Vordergrund, große wirtschaftliche und emotionale Hilfen muss geleistet werden. Wir müssen uns aber zwangsläufig auch mit den Umweltfolgen beschäftigen.

Die Hochwasserkatastrophe war und ist auch eine Umweltkatastrophe: Gewaltige Mengen Müll wurden in die Landschaft und  gerade in die Gewässer gespült; wochenlang gingen Abwässer ungeklärt in die Flüsse; noch gar nicht absehbar sind die Schäden der Böden durch Öl, Benzin, Schwermetalle und andere Schadstoffe aus Wasser und Schlamm, insbesondere in der Bleibelastungszone Mechernich-Kall im Kreis Euskirchen.

Selbst der eingesammelte Müll wurde in der Notsituation zu riesigen Bergen aufgeschüttet und dann weitgehend unsortiert weggeschafft: Kühlschränke und andere Elektrogeräte, Haushaltschemikalien, Autobatterien und vieles andere, was in „normalen Zeiten“ als Sondermüll sorgfältig getrennt wird. Aufgrund der Dringlichkeit konnte selbst von dem, was noch nutzbar gewesen wäre, kaum etwas gerettet werden. Mittelfristig kommen gigantische Mengen an Bauschutt hinzu. Dies ist und war eine riesige Verschwendung von Ressourcen und Material und eine immense Belastung für unsere Böden und Gewässer.

Die wirtschaftlichen Schäden allein in NRW werden auf mehr als 13 Milliarden Euro geschätzt, gar nicht „eingerechnet“ die seelischen Schäden der Menschen und die Schäden an der Natur. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die oft gestellte Frage nach Bezahlbarkeit von Klimaschutz. Denn Eines ist klar: Wir müssen jetzt viel Geld in die Hand nehmen, um die Auswirkungen der Klimakatastrophe wenigstens abzumildern und so große Tragödien für Menschen und Natur zu verhindern oder zumindest zu verringern.

Nutzen wir die Chance?

NRW bekommt nach jetzigem Stand 12,3 der 30 Milliarden Euro Wiederaufbauhilfe und die ganz große Frage ist: Nutzen wir das Geld auch für eine nachhaltige Entwicklung? Wir kommen nicht umhin, verzahnt mit den ohnehin dringend notwendigen und viele Jahre überfälligen Maßnahmen des Klimaschutzes auch solche der Klimaresilienz anzugehen.

Beim Hochwasserschutz müssen die Fehler aus der Vergangenheit jetzt korrigiert werden, nicht nur mit technischen Lösungen wie noch höheren Dämmen, Spundwänden und Rückhaltebecken, sondern auch der Schaffung von natürlichen Retentionsräumen bis dahin, Häuser und andere Gebäude nicht wieder an denselben Stellen aufzubauen. Hier müssen den betroffenen Menschen und auch Unternehmen gute Angebote gemacht werden, um die Bebauung aus den Auen wieder herauszuholen. Kommunen und Privatleute benötigen fachliche und finanzielle Unterstützung durch das Land und den Bund.

Wie viel Raum können und wollen wir den Auen geben?

Naturschützer*innen warnen seit jeher vor Bauten in Überschwemmungsgebieten, der Begradigung und Vertiefung von Fließgewässern und der fortschreitenden Versiegelung. Meist waren die Stellungnahmen und Forderungen vergeblich, Bedenken blieben unbeachtet, der Politik waren andere Belange wichtiger. Die Katastrophe zeigt aber spätestens jetzt, dass wir lernen müssen, die Natur zu respektieren und die Zerstörungskraft von Wasser zu akzeptieren, statt uns immer weiter die Erde untertan zu machen. Wir kommen nicht umhin, unseren Auen endlich wieder mehr Platz zu geben, auch wenn so mancher dort lieber Campingplätze, Äcker oder sogar Gebäude hätte. Wir brauchen dort aber Lebensräume, die überschwemmungsresistent und abflussverringernd sind. Diese können nicht nur Paradiese für die Natur sein, sondern auch zuverlässig immense Mengen Wasser auffangen, wie z.B. das Naturschutzgebiet „Kerpener Bruch“ im Juli eindrucksvoll gezeigt hat.

Wir müssen daher unsere Auen renaturieren, d.h.:

  • Begradigungen wieder rückgängig machen
  • natürliche Retentionsräume schaffen und erweitern
  • standortgerechte heimische Wälder schaffen und fördern
  • die landwirtschaftliche Nutzung anpassen und extensivieren
  • entsiegeln

Diese Maßnahmen dienen auch der verpflichtenden Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie und dem Artenschutz. Wir können also mehrere Herausforderungen der letzten Jahrzehnte zugleich angehen.

Biberschutz ist Hochwasser- und Klimaschutz!

Besser und viel kostengünstiger als jede menschliche Aktion trägt der Biber zur Renaturierung der Gewässer und ihrer Auen bei. Die von ihm geschaffenen Lebensräume sind nicht nur Retentionsräume, sondern auch Hotspots der Artenvielfalt. Der Biber hält das Wasser in der Landschaft und verlangsamt den Abfluss, so dass Hochwasserspitzen abgefedert werden. Seine Bautätigkeiten wirken ausgleichend bei Trockenheit, helfen bei der Grundwasser-Neubildung und schaffen nicht zuletzt beeindruckende Landschaften! Seine Förderung ist daher ein wertvoller Baustein!

Für die Zukunft wichtig:

Technische Lösungen werden notwendig sein, aber im Vordergrund muss der natürliche Hochwasserschutz stehen. Wir müssen Katastrophen-, Klima- und Naturschutz zusammen denken – welche Schritte bringen uns in den drei Bereichen gemeinsam voran?

Alle Maßnahmen in NRW, darunter auch die des Strukturwandels im Rheinischen Revier, müssen daher zwingend auf den Prüfstand im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung und insbesondere Klimaschutz und –resilienz.

Moniko Hachtel ist Mitglied des NABU Landesvorstand NRW.

Quellen und weiterführende Informationen:

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