Klimadiskurs.NRW

‚Diese jungen Leute‘


am 30.09.20 von Anja Surmann gepostet

„Irgendwas mit Medien“ – das war lange Zeit die Standardantwort junger Menschen auf die Frage, was sie später einmal beruflich machen wollen. Viele Beobachter belächelten die Vorstellungen und sahen darin die Genetik einer planlosen Generation, die magisch getrieben vom Glanz der neuen Medien, ihr Glück in einer modernen Zukunft suchten. Und tatsächlich, im Dickicht der diffusen Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten blieben oft auch Träume auf der Strecke und versteckte sich manche Enttäuschung. Dennoch hat die hohe Anziehungskraft von Medien dazu geführt, dass unsere Gesellschaft im Laufe der Zeit digitaler, kommunikativer und informierter wurde – gerade in Corona-Zeiten konnten wir erfahren, wie wichtig diese skills sind. Transformation braucht eben immer auch Träumer und Pioniere.

Gleichzeitig haben wir in den letzten zwei Jahren in Sachen Klimaschutz eine extrem engagierte und fordernde junge Generation erlebt, die ihre Zukunft selbst in die Hand nimmt, für sie kämpft und ordentlich gesellschaftlichen Druck macht. Das ist kein Selbstzweck, sondern ein klares (An)gebot an unsere Gesellschaft, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Dieses Engagement verdient es, von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nach besten Kräften unterstützt zu werden. Engagement darf keine Einbahnstraße sein, das wäre gesamtgesellschaftlich gesehen zu kurz gesprungen. Wir sollten alles dafür tun, dass die, die sich jetzt für Klimaschutz und Nachhaltigkeit einsetzen, auch die Macher und Entscheider von Morgen in Wirtschaft, Industrie und in zivilgesellschaftlichen Organisationen werden, denn wir werden sie dringend als qualifizierte Fachkräfte für die vor uns liegenden Herausforderungen im Klimaschutz brauchen.

Fachkräftemangel ist in vielen Bereichen ein ernstes Problem – so auch im Klimaschutz. Wichtige Bereiche in der Kreislaufwirtschaft und der Umweltwirtschaft, wie Energie- und Ressourceneffizienz, haben beispielsweise einen immensen Bedarf an Fachkräften aus dem MINT-Bereich, da sie von hoher Relevanz für Forschung und Innovationen sind. Gerade im MINT-Bereich ist der Fachkräftemangel aber insgesamt besonders ausgeprägt und der Druck hoch. Hier konkurriert der Klimaschutz mit extrem vielen anderen Anwendungsbereichen.

Zu einem spannenden Ergebnis mit Potential ist das Institut der deutsche Wirtschaft in seinem MINT-Frühjahrsreport 2020 gekommen: Eine stärkere Fokussierung in der MINT-Ausbildung auf den Klima-und Umweltbereich kann demzufolge eine Möglichkeit sein, zukünftig mehr Frauen für eine Ausbildung in diesem Bereich zu interessieren. Im MINT-Bereich wählen sie häufiger eine andere Richtung als Männer. So ist der Anteil erwerbstätiger weiblicher MINT-Akademiker in der Fachrichtung Umweltschutz, Umwelttechnik, Abfallwirtschaft mit annähernden 50 % besonders hoch und steht auf Platz 4 der beliebtesten Bereiche. (Vgl. MINT-Frühjahrsreport 2020, Institut der deutschen Wirtschaft)

Auch in anderen Bereichen werden Händeringend Fachkräfte zur Erreichung der Klimaziele gesucht,  darunter Handwerker und Techniker für Heizungs- und Anlagensteuerung. Sie fehlen derzeit massiv, bei der energetischen Sanierung von Häusern, Wohngebäuden und öffentlichen  Einrichtungen.

Der Gebäudebereich ist für 14 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland unmittelbar verantwortlich. Im Jahr 2030 dürfen im Gebäudesektor noch höchstens 72 Mio. t CO2 emittiert werden. Dies entspricht einem Rückgang um 66 bis 67 Prozent gegenüber 1990. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird viel davon abhängen, ob wir es schaffen die Sanierungsquote im Gebäudebestand maßgeblich zu erhöhen. Ohne die dafür nötigen Fachkräfte ist das nicht zu schaffen.

Die Fachkräftesicherung für die Umsetzung der Klimaziele ist absolut dringend und muss in der politischen Agenda eine prioritäre Rolle einnehmen. Aber auch die Wirtschaft kann noch mehr tun, in dem sie mit gutem Beispiel vorangeht, Arbeitsplätze nachhaltig gestaltet, Work-life-balance ermöglicht und Klimaschutz vorlebt. Das macht sie in Zeiten von Fachkräftemangel zu attraktiven Arbeitgebern und Orten mit gesellschaftlicher Verantwortung.

Zurück auf die Straße, wo viele junge Menschen in den letzten Monaten sehr engagiert für mehr Klimaschutz demonstriert haben: Auf dem Weg in eine nachhaltige Wirtschaft und eine klimagerechte Zukunft wird die Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften immens steigen. Wir sind klug beraten, das vorhandene Engagement und die Expertise nicht ungenutzt liegen zu lassen, sondern es von der Straße dort hin zu bringen, wo es dringend gebraucht wird: In Unternehmen, Verbände und in die öffentliche Verwaltung. Wir tun also – mindestens auch in dieser Hinsicht – gut dran, Engagement zu fördern und durch Respekt und Anerkennung zu belohnen.

Wenn wir heute junge Menschen nach ihrem Berufswunsch fragen, wünsche ich mir jedenfalls als Antwort öfter „Irgendwas mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ zu erhalten. Mein Appell: Unterstützen wir sie dabei nach Kräften!

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